Hans Ulrich Reck
Medien, Macht, Gewalt
Perspektivische Zwischenbetrachtungen
Die vollkommene Durchdringung des sozialen Lebens durch Medien ist irreversibel. Manipulationskritik und Programmeuphorie sind symmetrische Reaktionsmöglichkeiten auf die Durchdringung des sozialen Körpers durch – nun spezifischer gefaßt – elektronische Massenmedien. Und selbstverständlich rechnet vor allem der Metadiskurs der Medien zur totalisierenden Durchdringung aller anderen Diskurse durch die Codes, Rhetoriken und Dramaturgien von Medienpraktiken, die wie selbstverständlich deren Regeln vorgeben, denen weder der Kritiker noch der Analytiker entgehen zu können scheint. Wenn maßgebliche Politiker heute wieder die autoritative Setzung verbindlicher Werte fordern, tun sie dies im Einklang mit vorgeblich kritischen Positionen, die dem Anti-Autoritarismus, der ja bekanntlich selber autoritär ist (wenn auch nicht gleichermaßen autoritativ), den Zerfall der überformenden Sittlichkeit anlasten. Merkwürdig daran ist die paradoxe Doppelung der den Medien zugeschriebenen Machtpotentiale: Sie sind gleichermaßen systemerhaltend wie systemzersetzend. Sie stellen Konformität, damit verbindliche Moral her, und sie zersetzen die Zustimmungsbereitschaft zu Dekreten der Zentralmacht. Ähnlich paradox ist der Diskurs der Medienmacht auf der Ebene ihrer Gegenstände, auf der jene sich bekanntlich als Subjekt erst entfalten. So dekretiert der Kritiker bloß bildersüchtige, passivierende Dumpfheit, wo der Pädagoge habitualisierende Einübung von Dispositionen zur Reaktivierung physischer Gewalt am Werke sieht. Tatsächlich ist diese Paradoxie im Hinblick auf die Gegenwärtigkeit der Massenmedien erklärungsbedürftig.
Die mit Mediengebrauch und Kommunikationsmanipulation verbundene Reaktivierung physischer Gewalthandlungen ist vom Diagnoseobjekt des manipulierten Konsumenten nicht zu trennen. Immer mehr Jugendliche scheinen geradezu auf eine Innervierung der in den Medientechnologien bloß simulierten physischen Gewalt eingeschworen. Sind das die falschen Jugendlichen? Oder belegt der Neofaschismus, der – man…