Walter Grasskamp
Medien der Architekturvermittlung
Es ist ein Irrtum zu glauben, Architektur sei schon deswegen anschaulich, weil sie sichtbar ist. Die Aufgabe der Architekturvermittlung besteht – vor allem wenn sie den Laien im Visier hat – vielmehr darin, ihm das, was er täglich sieht und anfaßt, auch begreifbar zu machen. Die älteste Form der Architekturvermittlung dürfte allerdings jene sein, die einsetzt, wenn noch gar nichts zu sehen ist, vor dem Bau nämlich. Sie ist aber auch nicht unbedingt anschaulich: der abgebildete Entwurf aus Nepal zeigt, daß man dort mit einem Pseudo-Grundriß und ein paar Beschwörungsformeln auskommt, um die erforderlichen Baugenehmigungsstempel zu erhalten. Wo intakte handwerkliche und bauliche Traditionen ungefähr ahnen lassen, was am Ende herauskommt, ist ein genauer Entwurf wohl auch kaum vonnöten. Besondere Vermittlungsprobleme vor dem Bau dürften erst dann entstanden sein, als es um Bauaufgaben ging, deren Gestaltung von besonderen Bauherren an Spezialisten abgetreten wurde, ohne in deren Eigenverantwortung überzugehen, Kirchen, Grabmäler und Schlösser, bei deren Gestaltung der Bauherr nicht mehr kompetent war, aber, wie die Abbildung aus dem 16. Jahrhundert zeigt, ein Wörtchen mitreden wollte. Die ältesten Zeichnungen in Architekturmuseen zeigen meist Entwürfe für solche Bauaufgaben, in denen mit den Mitteln der Illusion so gezielt gearbeitet wird als seien es Mittel zur Überredung. Daß der Entwurf dort zur illusionistischen Blüte kommt, wo der Bauherr besonders anspruchsvoll ist, zeigen die Entwürfe, die für Neuschwanstein angefertigt worden sind.
In der Beratungssituation, die vor und während des Bauens den Entwurf zur Grundlage hat, ist neben dem Entwurf als ein weiteres Medium das…