Gabi Czöppan
Matthias Wähner
Das Parsifal Mosaik
Kunstforum (Städtische Galerie im Lenbachhaus), 4.11.-20.12.1988
Ausgerechnet in einem unterirdischen Kunstraum ruft der Berg. Nackte Beine in klobigen Wanderstiefeln staksen auf drei verschiedenen Bergen über Stock und Stein; das Gebirgsgefälle ist nicht im Bild zu sehen, es erschließt sich erst aus den in der Schräge aufgeklappten Eisenrahmen und aus den Titeln der drei mit Licht pointiert im Raum arrangierten Fotoarbeiten: “auf dem Monte Verità”, “auf dem Obersalzberg” und “auf die Loreley” sind für den Münchner Künstler Matthias Wähner drei Fixpunkte und Sinnbilder für Erneuerungsbewegungen in diesem Jahrhundert.
In den Tessiner Bergen, auf dem Monte Verità, strandete vor dem 1. Weltkrieg eine anthroposophisch gestimmte Intellektuellenclique, die als Naturapostel und gesellschaftliche Aussteiger in Freikörperkultur eine “bessere Welt” erleben wollten. Im “Berghof” auf dem Obersalzberg schmiedete Hitler seine nationalsozialistische Ideologie vom “neuen Menschen”, und auf der Loreley sammeln sich heute Sektierer und gestrandete 68er zu okkulten New-Age-Verunstaltungen. Der Berg, seit jeher Ort des Göttlichen und Entrückten, Symbol überlegener Physis, steht hier als Metapher für drei geistesverwandte Haltungen, die Wähner – ausschnitthaft verkürzt und ins Groteske gesteigert – zu einem gemeinsamen Nenner multipliziert. Die monumentalisierte Spießigkeit der riesenhaften grauen Eisenstellrahmen verleitet den Betrachter, sich wie in Gullivers Reisen im Reich der Riesen zu bewegen. Der Boden des karg beleuchteten Raumes gerät imaginär zum repräsentativen Schreibtisch einer untergründigen Macht.
In Matthias Wähners Fotoinstallation fügen sich die Steinchen bemerkenswert schnell und klar zu einem düsteren Mosaikbild rund um den Mythos des “Parsifal” zusammen. Es war jener wagnerianische “Parsifal”, von dem Hitler…