Florian Rötzer
Mathematik, Realität und Ästhetik
»Ist die Mathematik schön?«
Deutsches Museum, bis 8.3.1992
Versteckt im Deutschen Museum hat sich eine Ausstellung des “Forschungsinstitutes für Diskrete Mathematik”, die Bilder vom Design höchstintegrierter Logik-Chips solchen von konstruktivistischen Künstlern gegenüberstellt. Versteckt deswegen, weil die Aufteilung in die zwei Kulturen von Technik und Kunst, die zwar in vielerlei Hinsicht obsolet wurde, zumindest in der Form von Institutionen und ihrem Klientel noch weitgehend ungebrochen ist. Hätte man diese Ausstellung in einer Galerie oder in einem Kunst- bzw. Designmuseum realisiert, so würde sich die von ihrem Organisator zwar recht vorsichtig aufgestellte Behauptung von der “inhärenten Ästhetik” des Chip-Designs viel schärfer darstellen. Man müßte nämlich dann bei ihrem Besuch überlegen, ob die Chip-Architektur oder das Chip-Design, das dem menschlichen Auge sowieso nur durch Vergrößerungen zugänglich ist, nicht selbst schon Anspruch darauf erheben kann, ein Kunstwerk zu sein, auch wenn diese Intention ihrer Herstellung nicht zugrunde liegt. Das wäre schließlich auch keine andere Strategie als die, die seit Duchamps Ready-mades virulent ist, nämlich etwas aus seinem Kontext herauszunehmen und dadurch der ästhetischen Wahrnehmung zugänglich zu machen.
Schon seit der griechischen Antike gab es überdies die Tendenz, nicht nur Wahrheit mit Schönheit, sondern diese auch mit der Mathematik zu verbinden. Diese Entwicklung kulminierte in der neuplatonischen Renaissance in der Suche nach idealen Proportionen. Wenn diese Ausstellung daher nur Beispiele aus der konstruktivistischen Kunst des 20. Jahrhunderts vorführt, so gab dafür wohl weniger die Mathematik, sondern eher eine vordergründige Analogie zwischen verschiedenen geometrischen Gebilden den Ausschlag. Allerdings muß man dazu bemerken, daß…