Reimer Jochims
Materie, Form der Farbe.
Ich möchte berichten über meine Arbeit an der Formgebung der Farbe seit 1961.
Es ging mir in den Arbeiten 1960/61 um die Freisetzung der Farbe von der Vorherrschaft der Linie, d. h. der zeichnerischen Form, die die ganz europäische Tradition bestimmt hatte. Freisetzung der Farbe, d.h. Freisetzung des der Farbe eigenen Raumwertes – es gibt einen Farbraum, der verschieden ist vom Perspektivraum – des eigenen Lichtwertes, des eigenen Bewegungswertes, der als Fluktuation erscheint – Farbe ist Energie -, und des Zeitwertes. Die energetische Fluktuation, etwa das Vor- und Zurück, das Sichausdehnen und Zusammenziehen, das Sichverändern des Farbwertes im Auge ist ein Zeitfaktor. Es geht also um die Dimension der Dauer, Zeit als Dauer eines Prozesses.
Ich verstand das damals als Identität von Farbe und Fläche, die in der Malerei zu Identität von Lichtraum und Bewegung als Zeit wird. Das sind Probleme, an denen ja einige Maler der späten 50er und frühen 60er Jahre gearbeitet haben. Mir ging es dabei um die völlige Eliminierung der Zeichnung und um eine Proportionierung der Farbverhältnisse, die eine unendliche Schwingung, eine unendliche Fluktuation der Fläche im Auge erzeugen, aber so, daß diese Fluktuation immer wieder zur Ruhe kommt, sich einpendelt in der real-materiellen Leinwand.
Die Grundfigur dieser Bewegungsvorgänge ist die Inversion, die ja zuerst in subtilster Form von Cezanne thematisiert worden ist, bei dem alle Stellen des Bildes in sich verändernden Konstellationen invertieren, d. h. umstülpen und als Bewegung darstellen. Das war ein Konzept dynamischer Identität von Farbe und Fläche, das für mich…