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Titel: Art & Pop & Crossover · von Tobia Bezzola · S. 177 - 182
Titel: Art & Pop & Crossover , 1996

Tobia Bezzola
Massenboheme

Das Lächeln der Beatles und das Schweigen von Marcel Duchamp

An einem regnerischen Sommerabend, anfangs achtziger Jahre, trafen sich im Kunstmuseum Bern zwei verschworene Gemeinden unfreiwillig zur Ökumene. Anlaß war die Eröffnung einer Ausstellung von Franz Gertsch: eine Reihe riesiger, bunt glitzernder Porträts von Patti Smith. Deren Anwesenheit war angekündigt worden. Im Garten hinter dem neubarocken Sandsteinbau, hoch über der Aare, vermerkten Vernissage-Habitués indigniert, wie ein Publikum das Buffet stürmte, welches das Museum wohl zuletzt auf Druck des Klassenlehrers hin betreten hatte: Scharen bleicher Teenager, die grün-rosa Haare zu gezackten Kämmen getürmt, bläuliche Ringe unter die Augen geschminkt, silberne Ringe durch Nase und Ohren, aus schwarzen Ledermänteln spähten Ratten. Die Kids wurden enttäuscht. Smith dachte nicht daran, ihre Gitarre einzustöpseln, sie hatte nicht mal eine mitgebracht. Statt dessen wisperte sie, dem Anlass entsprechend, feierlich ein paar Gedichte ins Mikrophon.

Die Kunstszene beargwöhnte indessen die Heimkehr der verlorenen Kinder in den Tempel. Den Kulturmagistraten, Rezensenten und Sammlern, der schwarzseidenen Lokalkünstlerschaft samt Anhang wurde vorgeführt, daß es eine radikale ästhetische Szene außerhalb ihrer eigenen heiligen Gevierte gibt: in vager Weise ästhetisch, politisch und sozialutopisch motivierte Avantgardisten, jedoch ohne Interesse an “bildender Kunst” oder an “Literatur” gewappnet, einzig mit Punkgedröhne, einem exaltierten Lebensstil und einem exzentrischen Look als adäquate Ausdrucksmedien. Die Repräsentanten des traditionell-künstlerischen Bohemismus1, eben noch die Crème avancierten Lebensstils, sahen plötzlich aus wie trübe Philister. Sie waren in ihrem Heiligtum von einer Delegation der Massenboheme heimgesucht worden.

Szene oder Das Syndrom bohemischer Attitüden

Der Terminus der Massenboheme bringt folgenden Sachverhalt zum Ausdruck: In…


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