Christian Kravagna
Mary Kelly
»Gloria Patri«
Knoll Galerie, Wien, 27.3. – 4.5.1996
Es gehört nicht gerade zu den Standards feministischer Repräsentationskritik, sich mit den sozio-kulturellen Prozessen zu befassen, die Männlichkeit konstituieren. Legitimerweise stand und steht die Formung und Festschreibung der Normen und Ideale von Weiblichkeit durch die visuelle Kultur der modernen Gesellschaften im Mittelpunkt der Kritik. Mary Kelly, seit den siebziger Jahren zentrale Figur des künstlerischen Feminismus, wirft in “Gloria Patri” einen Seitenblick auf die Sozialisationsprozesse jener Individuen, aus deren Pathologie sich Kultur als Herrschaftsinstrument absondert. Wenn man davon ausgeht, daß das (kulturelle) Bild der Frau immer ein Bild des männlichen, besser patriarchalen Denkens ist, ist dann auch das Bild des Mannes eine weibliche Projektion? Mary Kelly hat viel zu lange und viel zu sorgfältig in ihrem Metier gearbeitet, als daß man die Frage in ihrer Naivität so stehen lassen könnte. Kelly enthält sich von vornherein aller Ansprüche auf Abbildbarkeit von Wesenheiten. Sie entgeht der Gefahr der fast unweigerlich reduzierend-fixierenden Kraft des Visuellen, indem sie ihren Untersuchungsgegenstand nicht zeigt, sondern beschreibt.
Hans Knolls zweite Kelly-Ausstellung nach 1991 (damals die “Corpus”-Serie) präsentiert zwar nur die graphische Version der 1992 entstandenen, ursprünglich objekthaften “Gloria Patri”-Arbeit, dennoch sind deren zentrale Qualitäten auch in diesen Zeichnungen von 1996 spürbar. Sechs “Trophies”, schematisierte Pokale gekrönt von Männerfiguren, die die einzelnen Buchstaben von GLORIA PATRI hochhalten, rhythmisieren die Abfolge von fünf “Shields”. Diese wappenartigen Schilder enthalten kleine Geschichten, oder eher Momentaufnahmen von unspektakulären, aber signifikanten Situationen der Ich-Bildung. Momente, in denen Männer mit ihren Gedanken allein sind, mit Gedanken,…