Hermann Pfütze
Martin Kippenberger
»sehr gut/very good«
Hamburger Bahnhof, Berlin, 22.2. – 18.8.2013
Neben der in der Haupthalle des Hamburger Bahnhofs präsentierten, reaktionär-nostalgischen Heile-Welt-Revue „Kinderkreuzzug“ von Martin Honert (schon der Titel ist eine Ranschmeißfrechheit an bedeutende Kunst) wirkt Martin Kippenbergers Werk in den Rieck-Hallen erwachsen und modern. Die Ungleichzeitigkeit zweier Gleichaltriger (beide sind 1953 geboren) in der zeitgenössischen Kunst wird hier sinnfällig: Zwischen einem Gestrigen, der bis heute mit technischer Raffinesse beliebiges Spielzeug macht, und einem Heutigen, der leider gestern (1997) schon gestorben ist, aber an der Wirklichkeit sich abgearbeitet hat.
Die Ausstellung beginnt mit Kippenbergers Kindheits- und Jugenderfahrungen und endet mit seinem Blick aufs Sterben. Das erste Bild ist jenes anrührende Schulschwänzer-Portrait mit dem Titel „Bitte nicht nach Hause schicken“ von 1983. Daneben hängt „Einer von Euch, unter Euch, mit Euch“, die Plakatvorlage zur öffentlichen Geburtstagseinladung 1978, und in der Ecke steht die Plastik „Martin ab in die Ecke und schäm dich“ von 1989, der lebensgroße Abguß des Künstlers in Arbeitskleidung und mit gesenktem Kopf. Über allem tönt als Endlos-Soundtrack Kippenbergers Version des berühmten „ja ja ja, ne ne ne“ von Joseph Beuys wie eine Erkennungsmelodie der Ausstellung zwischen Kunst und Trash, Genialität und Albernheit, Glück und Verzweiflung.
Auch andere wegen ihrer Titel berühmte Bilder, wie „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen“ und „Sympathische Kommunistin“ zeigen Kippenbergers malerisches Können, während hastig gemalte Trash-Bilder es verbergen. Die „Acht Bilder zum Nachdenken, ob’s so weitergeht“ von 1983 würden auch heute in den Malklassen der Kunsthochschulen nicht weiter auffallen und nur diese…