Helmut Draxler
MarktMoral
ÜBER DIE LISTEN DER SELBSTBEHAUPTUNG
Im Reiche der Zwecke”, heißt es in der “Metaphysik der Sitten”, “hat alles entweder einen Preis oder eine ürde.”1 Zwei Welten tun sich hier auf: eine für die Krämerseele, eine andere für die Schöngeister. Dazwischen bricht Kant alle Brücken ab. Das Entweder-Oder ist definitiv; er entkoppelt die aufklärerisch-humanitären Ideale vom Denken in Kategorien technoökonomischer Effizienz. Ganz im Gegensatz übrigens zum englischen Liberalismus, der im “free enterprise” einen wesentlichen Faktor des modernen und autonomen Subjekts sah; oder zu jenen calvinistischen Auffassungen, die die Bewährung am Markt auch als Bewährung vor Gott verstanden haben.
Bekräftigend fährt Kant fort: “Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.” Von Kunst ist an dieser Stelle nicht die Rede, aber die Erhabenheit der Würde fungiert bereits als ästhetisches Kriterium. Noch wird es allein der Sittlichkeit und der Menschheit, “sofern sie derselben fähig ist”, zuerkannt.
Seither aber rutschte die Kunst zusehends in diese Sphäre des Außerpreislichen; sie laugte sich an mit den Kriterien des Humanen und Sittlichen, zeugte im Schein des Augenblicks vom fernen Glanz der Einheit des Wahren, Schönen und Guten, bürgte für Qualität im Reich der schrankenlosen Quantitäten und profilierte sich mithin als Wert an sich, nicht als Wert für sich, der in irgendeinem Preis sein Äquivalent finden könnte.
Das Aufregendste derzeit in der Kunst sind ihre Preise. Viel spannender jedenfalls als die Phänomene und Produkte. Nicht, wie billig ich…