Jürgen Raap
Mark Morrisroe
Galerie Aurel Scheibler, Köln, 9.9. – 29.10.1994
Für Galerist Aurel Scheibler ist der Filmemacher und Fotograf Mark Morrisroe mit seiner radikalen Ästhetik eine “Entdeckung”: In Deutschland werden seine Arbeiten jetzt erst zum zweiten Mal gezeigt. – Beim Portrait von Janet Massomian (1982) verschwindet der Kopf im Dunkel, nur Schulter- und Brustpartie stechen durch Lichtreflexe hervor. Das Bildnis von Michael Walsh in dessen Küche (1985) ist in der Farbigkeit eines billigen Illustriertendrucks oder eines B-Movies umgesetzt, und bei der “Lonely Bird”-Serie (1985) wird das Experiment mit Unschärfen bzw. Verschwommenheiten noch weiter getrieben – nur sehr vage erscheinen die Konturen einer Stadtsilhouette hinter der groben Körnigkeit. Düsternis oder wenig anheimelndes Zwielicht überlagert alle Bildgegenstände, Räume erscheinen unklar, und manche der abgebildeten Personen aus dem New Yorker Homosexuellen- und Travestie-Milieu sind vor der Kamera so inszeniert, als ob nur spärliches Licht Intimität, aber auch Schutz garantiere.
Anders ist die Ausleuchtung bei den zwei jungen Männern in enger Umarmung (“Siamese Twins”, 1982); hier bildet der Wohnraum mit Posters und Fotos an den Wänden einen collagehaft anmutenden Hintergrund. Morrisroes Auffassung von Bildästhetik spiegelt sich auch in der Präsentation wider: Oft arbeitet er mit “Unformaten”, bei denen eine Bildkante mit dem Rahmen verschmilzt und die gegenüberliegende, schief verlaufende Kante zwischen sich und dem Rahmen ein weißes Feld läßt. Farbschlieren an den Rändern und der Einbezug der Lochstreifen vom Film in den Bildraum erweisen sich als Moment der Brechung – die Arbeiten wirken roh und wild, eruptiv und anti-klinisch. Verstehbar ist dies vor dem Hintergrund einer…