RALF CHRISTOFORI
Mark Dion – Encyclomania
Villa Merkel, Esslingen, 1.12.2002 – 2.2.2003
Bonner Kunstverein, 12.2. – 30.3.2003
Kunstverein Hannover, 5.7. – 17.8.2003
Man versteht das Künstliche gewöhnlich besser, als das Natürliche”, schrieb Novalis in seinen “Blütenstaub”-Aphorismen – ein Umstand, der sich am Vorabend der Romantik keineswegs auf eine dezidierte Parteinahme für das eine oder das andere festlegen wollte. Stattdessen mochte sich der findige Geist auf deren symbolische Kraft besinnen, auf die Überhöhung der lebendigen oder leblosen Dinge, ihre Ordnung, ihre Ästhetik und Darstellbarkeit. Dass man die Natur darstellen konnte, ist bis heute in den Naturhistorischen Museen zu sehen. Wie man dies tat, ist in den Möglichkeiten ihrer Repräsentationsmodi überliefert.
Seit nunmehr fünfzehn Jahren untersucht Mark Dion die Brüche und Widersprüche solcher “Naturalismen”. Er seziert die Ordnungsbegriffe einer Naturbeobachtung, die – noch in ihrer zeitgemäßen Version – zwei Legenden nicht abgelegt zu haben scheint: die einer offensichtlich romantischen Verklärung und die der Unterscheidung zwischen einer vermeintlich natürlichen und künstlichen Repräsentation. Was künstlich ist, was natürlich? – Und ob man das Künstliche tatsächlich besser versteht, als das Natürliche?
Gleich zum Auftakt seiner Ausstellung “Encyclomania” präsentiert uns Mark Dion eines dieser wundersamen Dioramen, die seit dem 19. Jahrhundert den Schein des Natürlichen konservieren und das Publikum faszinieren sollten. Künstlich gebärdet sich diese errichtete Scheinwelt in einem Interieur von wenigen Kubikmetern: Ein lebensgroßer ausgestopfter Wisent steht auf einem mit Pilzen durchwachsenen Waldboden, im Hintergrund die Illustration einer nordamerikanischen Wildnis. Das, was wir in Dions “Mobile Wilderness Unit” (2001) über den Wisent und seinen Lebensraum erfahren, wirkt wie das…