Ilka Becker
Mark Dion
»Alexander von Humboldt and other sculptures«
Galerie Christian Nagel, Köln, 4.11. – 23.12.2000
Die positivistischen Wissenssysteme der Evolutions- und Naturgeschichte sowie die inszenierten Blickregimes, die das soziale Konstrukt “Natur” institutionell entwerfen, stellen seit den frühen 90ern den Kontext bereit, welchen Mark Dion feldforschend durcharbeitet. Für die Skulptur “Alexander von Humboldt (Amazon memorial)” hat Dion lebende Piranhas aus Venezuela importieren lassen und in ein Aquarium gesetzt, das hinter der großen Schaufensterfront der Galerie Christian Nagel aufgebaut wurde: ein verdoppeltes Display, ein Aquarium im Aquarium, eingefasst von einem möbelartigen, symmetrischen Aufbau, der zwischen Denkmalsarchitektur, Wohnzimmerschrankwand und kontemplativer Kaminsituation rangiert. Ähnlich wie bei einem Projekt, das er 1993 im Vogelhaus des Antwerpener Zoos realisierte, ist das Gedenkmöbel mit exotischen Tiermotiven gekachelt, die auf flämische Holzschnitte aus dem 17. Jh. zurückgehen. Es beherbergt Regalfächer mit bildungsbürgerlicher Literatur, die etwa über tropische Natur, Piranhas, den Amazonas und die “großen Forscher” informiert. Verschiedene Objekte, so eine Kettensäge oder Modelle von “Shell”-Türmen und einem Bagger, weisen auf die Plünderung natürlicher Ressourcen hin, die in zynischer Opposition zu der Bemühung steht, Restbestände gefährdeter Natur in zoologischen Gärten aufzubewahren. Fungieren dort Piranha-Fütterungen als eine Art von “Snuff–Movie”–Spektakel, so erscheinen Dions Raubfische bereits als Repräsentanten dämonisierender Zuschreibungen durch Betrachter, die als Live-Publikum zu Partizipienten der Arbeit werden, sichtbar wiederum im Galerien-Schaufenster. Während Tiere, so John Berger, keinen besonderen Blick auf den Menschen werfen, hat dieser kulturelle Techniken entwickelt, um sie in Gehäusen zu inszenieren oder qua mediatisiertem Blick in Bilder “einzufangen”. Diese dienen der Visualisierung der vorgeblichen Ordnung…