Zürich
Marina Abramović
Retrospektive
Kunsthaus 25.10.2024–16.02.2025
von Max Glauner
Gab es in den letzten fünfzig Jahren eine Künstler*in, die die Aufmerksamkeitsökonomien des Kunstfeldes so erfolgreich triggerte, wie die 1946 in Belgrad geborene Marina Abramović? Vorreiterin der Performancekunst, Ikone, Diva, Megastar lauten einschlägige Epitheta. Sie hat lange und hart an diesem Image gearbeitet. Das demonstriert jetzt eine retrospektive Ausstellungsreihe eindrücklich. Sie führt von der Royal Academy of Arts in London über das Amsterdamer Stedelijk Museum und wird im Wiener Bank Austria Kunstforum abgeschlossen. Davor gastiert sie im Kunsthaus Zürich.
Das hat seine Tücken. Abramović ist eine großartige Performance-Künstlerin. Doch ihre Stärke liegt im Augenblick der Aufführung. Videos, Fotografien, Objekte, Beschreibungen dokumentieren das. Sie fallen aber dagegen notwendig ab und können die Präsenz der Darstellerin, Ko-Präsenz und partizipative Interaktion des Publikums nicht einholen. Damit haftet jeder Abramović-Ausstellung, die sich historisch zur Künstlerin verhält, der Malus einer Totenklage und Geisterbeschwörung an. In Zürich wird diese Tendenz durch den Ort, den Pfisterbau des Kunsthauses, unterstrichen. Während sich Chipperfields Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthaus als Kenotaph-artiges Memorialgebäude gebärdet, wirkt der zweite Erweiterungsbau aus den 1950er-Jahren, in dem die Ausstellung stattfindet, wie der dazugehörige Sarkophag. Sein großzügiger Ausstellungssaal trägt den Namen seines Stifters, dem umstrittenen Rüstungsindustriellen Emil Bührle, dem am Eingang mit einer Büste gedacht wird. So treten wir mit dem Reenactment Abramovićs Performance Imponderabilia, 1977, ins Reich des Thanatos. Dunkle Wände, gedämpftes Licht, lange Korridore sorgen für sakrale Wiederauferstehungsatmosphäre.
Abramovićs unbändige darstellerische Energie ist im Zürcher Arrangement von Objekten, Fotos, Videos schwer zu ahnen. Zum Vergleich, die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte setzt…