Ralf Beil
Marina Abramovic
“Artist Body – Public Body”
Kunstmuseum Bern, 1.4. – 1.6.1998
Marina Abramovic (*1946) ist gelungen, was nur wenigen vergönnt ist: Mit ihrer konsequenten Körperarbeit hat sie scheinbar mühelos Jahrzehnte übersprungen. Ihr Performance-Oeuvre ist heute noch ebenso aktuell wie in den Siebzigern, als die gebürtige Belgraderin damit begann. “Balkan Baroque”, ihr löwengekröntes Opus über die Ratten und den Krieg, hat einen der nachhaltigsten Eindrücke auf der letzten Biennale von Venedig hinterlassen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an die Schau der profilierten “Body”-Künstlerin in Bern. Kleine Enttäuschungen inbegriffen.
Wie Pipilotti Rist versteht sich auch Marina Abramovic glänzend auf die Kunst der medialen Selbstinszenierung. Schon auf der Einladungskarte zur Ausstellung spielt sie mit Ikonen. Realisiert Roy Lichtensteins Pop-Inkunabel “Mädchen mit Ball” als Pin-up-Girl am Meeresstrand. Bei der Presseeröffnung tritt sie als vitale Schönheit im schwarzen Gehrock auf. Die “Großmutter der Performancekunst” (Abramovic über Abramovic) scheint immer jünger zu werden. So wie ihre Kunst. Während Abramovic die Jugendlichkeit ausnehmend gut steht, bekommt sie ihrem Werk allerdings nur bedingt. Doch der Reihe nach.
Wie rückt man fünfundzwanzig Jahren intensivsten künstlerischen Schaffens zu Leibe, wenn man wie Toni Stooss – schon aus Platzgründen – keine allumfassende Retrospektive ausrichten kann und will? Marina Abramovic selbst fand die Lösung mit dem Titelkonzept “Artist Body – Public Body”, das den Corpus ihrer Arbeiten nach dem jeweils eingesetzten Körper-Material unterscheidet: Dem der Künstlerin oder dem der Betrachter, die insbesondere seit den “Transitory Objects” der frühen Neunziger Jahre – prominent auf Jan Hoets documenta IX vertreten – zu konkreter Selbsterfahrung aufgefordert…