Marina Abramovic
Für unsere Performances legten wir nur die allgemeine Struktur dessen fest, was wir machen wollten. Wir wußten nicht, wie sie ausgehen würde. Alles wurde als Teil der Arbeit akzeptiert. Alles betraf den Energie-Dialog zwischen uns und dem Publikum. Es war eine wichtige Erfahrung, als mir in einigen Performances klar wurde, daß, je mehr Publikum anwesend war, ich umso eher mentale und physische Grenzen überwinden konnte. Wir arbeiteten nur mit der Idee, einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Raum. Alles weitere war völlig unvorhersehbar. Es erzeugte das Gefühl eines wirklichen Energie-Austauschs. Das Publikum war ebenso wichtig wie das Stück.
Ich selbst habe nie ohne Publikum arbeiten können. Die einzig wirkliche Motivation kommt vom Publikum. Ich mache es nicht für mich allein. Vor einem Publikum zu arbeiten weckt die Konzentration, gibt mir die Kraft, meine normalen menschlichen Grenzen zu überschreiten.
Unsere Antwort auf den Malerei-Boom war in der Tat das bewegungslose Bild der “Nightsea Crossing”-Performance. Sie dauerte fünf Jahre. Man kann sie total bühnenhaft nennen, und tatsächlich ist das Bild inszeniert. Nie jedoch verloren wir das Eine, die Weiterführung unserer frühen Arbeiten: die Lebens-Energie. Der Unterschied unserer Arbeit zu der neuen Malerei liegt darin, daß man in der Malerei niemals den Hauch der Lebens-Energie findet. Wir zeigten ein regloses, aber lebendes Bühnenbild. Natürlich war da auch noch eine andere Absicht: sich wirklich des Hier und Jetzt bewußt zu sein. Wir gefroren in der Zeit, weil wir dem Publikum nie Anfang oder Ende der Performance zeigten.
Nach der “Nightsea Crossing”-Performance hatte ich ein unbändiges Verlangen…
