concret-art
Marin Kasimir
Marin Kasimirs Arbeiten haben mit dem Bauen und in manchem auch mit dem Bauhaus zu tun. Backsteine werden zu Modell-Architekturen geordnet, der Modulor wird zur Grundlage für die Dimensionen eines Paravent, ein weit gespanntes Stück Mauerwerk erscheint als Regenbogen.
»La grande tour de la patience des matériaux de construction« (1984) nennt Kasimir ein Konstrukt, das Assoziationen an den Turm zu Babel weckt (so lautet denn auch ein zweiter Titel: »La tour de Babel«) und das nach einem simplen Baukastenprinzip aufgebaut ist: dünne, scharfkantige Stahlplatten sind ineinandergesteckt und übereinandergestapelt. Sie ergeben eine – im doppelten Sinne – eigenständige Skulptur und sie dienen zugleich als Bildträger. Auf ihm wird die Belastbarkeit eines Baustoffs erprobt: Tafel um Tafel zeigt Kasimir Ziegel im Zerrbild. Diese Darstellungen ironisieren den Titel des Turms und umgekehrt. Durch den Zustand der Steine, wie er auf den Stahlplatten erscheint, erinnert ‘patience’, die französische Vokabel für Geduld, Ausdauer, Beharrlichkeit, an ihren lateinischen Vorfahren, das Verb für ‘leiden’ und an die (dem selben Wortstamm angehörige) Passivität des gemalten Materials.
Die Ziegel sind mal in sorgfältigem Naturalismus konterfeit, mal expressiv hingeworfen, mal dekorativ geschönt und geglättet – ein picturales Sprachenwirrwarr. Das meint weniger die postmoderne Geste; Ziel dieses ‘Sprachspiels’ ist vielmehr die Irritation als Gegenbewegung zur exakten Gemessenheit der Arbeit, die so zusammengefügt und in sich gefugt ist, daß die einzelnen Bauelemente und Bedeutungsebenen sich wechselseitig immer wieder aufeinander beziehen. Ein in sich dynamischer, nach außen gleichsam hermetischer Zustand entsteht, in dem zwei gegensätzliche Elemente in einen Zusammenhang gebracht sind, der nicht…