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Ausstellungen: Gent/Paris · von Doris von Drathen · S. 374 - 375
Ausstellungen: Gent/Paris , 1991

Doris von Drathen
Mariella Simoni

Galerie Ric Urmel, Gent, April/Mai
Jennifer Flay, Paris, Mai/Juni

Auf einem anonymen Holzschnitt des italienischen 15. Jahrhunderts steht die Natur als Klägerin vor Gericht – der Mensch, so klagt sie, sei dabei, ihre Adern auszubeuten, ihre Haut zu verletzen, ihre Haare abzuschneiden, ihre Augen zu trüben. Wenn es auch zu den klassischen Topoi gehört, Minen der Erde mit menschlichen Adern, die Oberfläche mit Haut, die Bäume mit Haaren, die Seen mit Augen zu vergleichen, so ist dieser Holzschnitt mit der klageführenden Erde doch außergewöhnlich einprägsam.

Er kam mir spontan in den Sinn, bei der ersten Begegnung mit den Bildern von Mariella Simoni. Die materialreiche, reliefartige Malerei der norditalienischen Künstlerin, die lange in Wien gearbeitet hat, wäre vielleicht mit der Kategorie “emotionale Abstraktion” schnell eingeordnet. Da schwingt aber in diesen Bildern eine Verletztheit mit, die mich nicht losläßt. So etwas wie Assoziationen von Ackerfurchen im Frühling werden wach, wenn der Boden in der ersten Sonne dampft und Eisschollen so dünn und scharf darinstehen, daß es aussieht, als würden sie in die Krume schneiden. Sind solche Assoziationen, die so pathetisch klingen wie “verletzter Acker”, erlaubt angesichts einer Malerei, die um Bilderlosigkeit ringt?

Die riesige Holzplatte aber, die von Wand zu Wand reicht, weist eine Malerei auf, die mit allen Mitteln, mit den Händen, mit dem Spatel, schnell, beinahe rauschartig ausgeführt ist. Tatsächlich in Furchen reihen sich borkige Farbbänder, setzen sich zu einer Fläche zusammen, sehr lang und sehr geronnen. Die dicken Farbrinden wirken, als hätten sie geschürfte Ränder, als würden sie wider…


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von Doris von Drathen

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