Martin Blättner
Maria Nordman – »De Theatro«
Staatsgalerie Stuttgart, 3.8. – 3.11.1996
»Im letzten Jahrhundert begann ein neues Raumbewußtsein in der Kunst, eine Entwicklung von der festen Perspektive zur vision in motion.«
Laszlo Moholy-Nagy
Wenn der Museumsbesucher in der Rotunde der Staatsgalerie die Stufen über dem Gestell auf kreisrundem Grundriß erklommen hat, befindet er sich vor dem “Initiations”-Raum – einem achteckigen, unbedachten Metallgehäuse mit offenem Eingang, das in auffälliger Schräglage auf einen bestimmten Inzidenzwinkel zwischen Erdhorizont und Sonnenstrahlen ausgerichtet ist. Drinnen kommt der Gleichgewichtssinn des Probanden leicht ins Wanken. Die Standfläche ist außerdem nicht eben, sondern halbkreisförmig aufgebogen. So individuell die Reaktionen auch sein mögen – in der Regel dürfte der Eintretende dazu neigen, sich am Spiegeltisch inmitten der Kammer wie an einem Lenkrad festzuhalten. Die womöglich erwartete, zentrifugale Drehbewegung eines Jahrmarkt-Karussels bleibt natürlich aus, obgleich Gerüst wie Kabine auf Rädern montiert sind. Theoretisch könnte die bewegliche Skulptur von Maria Nordman jederzeit in eine andere Position gebracht werden. Zusätzliche Verankerungen sorgen aber dafür, daß der Neigungswinkel, der am Eröffnungstag übrigens auch im Hinblick auf eine bestimmte Sternenkonstellation eingestellt wurde, unverändert bleibt. Erst am 2. August 6996 – so die Berechnungen der amerikanischen Künstlerin – würde der Sternenhimmel wieder dem astrologischen Bild vom Tag der Vernissage gleichen. Eine gigantische Vorstellung! Nachvollziehbarer hingegen ist die tägliche Veränderung der Licht- und Schattenverhältnisse in und um einem Kunstobjekt, das den Zeitfaktor nicht unwesentlich thematisiert. Im August etwa war es gegen 13.30 Uhr fast vollständig mit Licht gefüllt, der Spiegel reflektierte die Sonnenstrahlen – ein eher verborgenes Spektakel der…