Kathrin Luz
Marcel Odenbach:
»In stillen Teichen lauern Krokodile«
Hamburger Bahnhof, Berlin, 23.3. – 11.6.2006
Es ist die deutsche Geschichte, in der sich Marcel Odenbach – Grenzgänger zwischen zwei Künstlergenerationen – mit seiner eigenen Biografie verortet, an deren Auswüchsen und Deformationen, Verzettlungen und Verkrüppelungen er sich in seinem Werk immer wieder “abarbeitet”. Und es ist auch die deutsche Geschichte, die in Odenbachs Auseinandersetzung mit Afrika immer wieder wie ein eitriges Geschwür an die Oberfläche drängt, die den Pfad legt, dem er konsequent folgt. Ruanda – die aktuelle Situation, das Trauma eines Landes zwischen Verfolgung, Vergeltung und Versöhnung, ist Thema der aktuellen Arbeit von Odenbach im Hamburger Bahnhof in Berlin. Ruanda – dieses Wort kodiert einen der größten Völkermorde seit Menschengedenken. Verführt durch rassistische Propaganda, vornehmlich übers Land getragen aus kleinen, billigen Transistorradios, haben Nachbarn ihre Nachbarn massakriert und liquidiert, haben sich massenweise Mörder selbst beauftragt, haben in 100 Tagen Menschen vom Stamm der Hutus fast 1.000 000 Tutsis und gemäßigte Hutus abgeschlachtet.
Doch auch dieser monströse Genozid findet – was längst nicht jeder weiß – seine frühesten Wurzeln im deutschen Rassismus. Bis zur Übernahme durch die Belgier nach dem Ersten Weltkrieg war Ruanda Teil Deutsch-Ostafrikas. Und es waren die deutschen Kolonialbesatzer, die sich, um eingespielte Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen effizient und bequem zu nutzen, die rassistische Unterscheidung zwischen Tutsi und Hutu, in großgewachsene hellhäutigere “Herrenmenschen” und dunkelhäutigere, negroide Untertanen, ganz strategisch vorantrieben. Erst diese konsequente Instrumentalisierung und Zementierung bestehender sozialer Gefüge durch eine ausgefeilte ideologische Untermauerung – gerade die deutschen Kolonialisatoren…