Doris von Drateln
Marcel Odenbach
Galerie Ascan Crone, Hamburg, 5.3.-20.4.1987
Marcel Odenbach hat Architektur und Urbanistik studiert: In seinen Videos wie in seinen Zeichnungen sind äußere architektonische Formen Ausdrucksmittel für innere Situationen. Fenster- und Türrahmen sind für ihn Ausdruck für das Verhalten und Lebensgefühl der Menschen. Auf all seinen Reisen hat er Fensterformen beobachtet: Die freien Fenster ohne Vorhänge in Holland, die einen ungehinderten Durchblick durch das ganze Haus gewähren, wo man tatsächlich von der Straße durch das Haus in den Garten schauen kann; die engen, von Vorhängen verdeckten Fenster in der Bundesrepublik, die in der Architektur der Nachkriegszeit die Größe von Schießscharten hatten, wie er sich bitter lachend ausdrückt.
Das Motiv Fenster oder Sehschlitz ist zentrales Thema bei Odenbach. Er macht das In-sich-Hineinschauen und das Nach-draußen-Schauen zum Thema, nimmt es bildlich-wörtlich. Seine Zeichnungen sind angelegt wie große Partituren von kleinsten Bildern, von schmalen Einblicken in die Vergangenheit, die grauenvolle der Nazi-Zeit, die anrührende seiner Kindheit, die prickelnd-aufregende der ersten Liebe: ein Kaleidoskop von kleinen Fenstern, Türen, Spalten, die Bilder freigeben aus der eigenen Vergangenheit, der tabuisierten Vergangenheit seiner Eltern, vermischt mit Zeitungsphotos aus der unmittelbaren Gegenwart, mit Reproduktionen aus der Kunstgeschichte, ein hintergründiger Doppeleffekt etwa C. D. Friedrichs Frau am Fenster stehend.
Odenbach ist 1953 geboren. Während seiner Schulzeit hat er über die nationalsozialistische Zeit nichts erfahren. Erst als er während des Studiums durch die USA reiste, wurde er durch Fragen darauf gestoßen, sich mit der Zeit zwischen 1933 und 1945 auseinanderzusetzen. Während andere sich mit aktuellen Umweltproblemen auseinandersetzen, Utopien von der Welt…