Thomas Wulffen
Marcel Broodthaers – a b c
Galerie Rainer Borgemeister, Berlin,
31.5. – 5.7.1997 (Broodthaers),
30.8. – 4.10.1997 (Mangelos)
Der Ort ist gut gewählt. In der Mitte Berlins, direkt im Zentrum des neuen Galerienviertels, in einem der Höfe am Hackeschen Markt liegt die Galerie Inga Kondeyne/Rainer Borgemeister. Die Doppelung der Namen ergibt sich aus der Konstruktion der Galerie, die von zwei Galeristen an einem Ort, in einem Raum betrieben wird. Die Galeristen wechseln sich bei der Bespielung der Räume ab. Mit der Ausstellungsfolge Marcel Broodthaers und Mangelos hat Rainer Borgemeister zum documenta-Sommer ein Projekt realisiert, das jedem Museum oder Kunstverein zur Ehre gereichen könnte. Wo auf der documenta Broodthaers mit seiner Form der Institutionskritik vertreten war, war in der Galerie der Sprach- und Bildkritiker zu sehen. Unter dem Titel ‘a b c’ wurden dort vor allem Sprachwerke gezeigt, die allerdings eher in der Tradition von Rimbaud und Mallarmé zu sehen sind als in einer der konkreten Poesie. Mehrere Werke in der Ausstellung beziehen sich direkt darauf. Eine frühe Arbeit von 1964, “Étagère avec Voyelles”, steht am Beginn einer Darstellung, die das Thema in einzelnen Schritten entwickelte. So wurde die Ausstellung nicht nur anhand der Werke museumsreif, sondern auch in der Präsentation. Der zur Ausstellung produzierte Katalog ist ebenfalls beispielhaft, entzieht er sich durch seine Gestaltung jeder schicken Oberflächlichkeit und setzt mit seinen konkreten Erläuterungen einen Standard für selbstproduzierte Ausstellungskataloge. Auf Ausstellung und Katalog bewußt zu verweisen ist auf dem Hintergrund zeitgenössischer Galerientätigkeit notwendig. Denn allzuoft gewinnt das merkantile System gegenüber dem künstlerischen…