Marcel Broodthaers – Eine Retrospektive
K21 04.03. – 11.06.2017
von Amine Haase
Zwölf Jahre nur hatte er Zeit, um ein künstlerisches Werk zu schaffen, dass in seiner Vielseitigkeit und Vieldeutbarkeit seines gleichen sucht. Und so wird es auch immer wieder präsentiert und gedeutet, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Erkenntnissen – stets auf der Höhe der Zeit, denn die Ansatz- und Verankerungsmöglichkeiten sind, wie gesagt, vielfältig: Poesie, Film, Konzept, Politik und sogar Pop – all das lässt sich an Marcel Broodthaers (1924-1976) festmachen, was auch fleißig exerziert wurde und wird. Es ist viel geschrieben worden über die Öffnung der Poesie in den Raum, die Broodthaers gelang, nachdem er mit vierzig, 1964, unverkaufte Bände seiner Gedichte eingipste und die Skulptur „Pense-bête“ (Gedächtnisstütze) nannte. Einen Film hatte er schon 1957 „zu Ehren von Kurt Schwitters“ gedreht und „La clef de l’horloge“ (Der Schlüssel der Uhr) ausdrücklich als „kinematographisches Gedicht“ deklariert. Auch spätere Filme sind oft Worte, schwarz-weiß, die das Laufen gelernt haben, wie „Le Corbeau et le Renard“ (1967, nach La Fontaines Fabel Der Rabe und der Fuchs), oder melancholische Poesie, wie „La Pluie – Projet pour un texte“ (1969, Der Regen – Entwurf für einen Text).
Der Kern seines Konzepts bleibt die Poesie, auch nachdem er die Worte zu Objekten formte und ihnen ganze Räume öffnete. Schwebende Uneindeutigkeit ist das Terrain des Dichters, der mit den Füßen auf schwankendem Boden steht und den Blick in die Sterne hebt, wo er die Gedanken hinter den Gedanken sucht, die dann als Träume – oder Ironisierung der prekären Situation…