HAJO SCHIFF
Marc Dion – Encyclomania
Kunstverein Hannover, 5.7. – 17.8. 2003
Er wohnt in Beach Lake, aber der so nach Strandleben klingende Ortsname hieß im vorigen Jahrhundert noch Beech Lake = Buchensee. Solche Umdeutungen passen so gut zu Marc Dion, dass man fast glaubt, sie seien von ihm erfunden. Denn auch wenn ihn die Etikettierung als “Natural History Artist” schon zu nerven beginnt, der größte Teil des stets umfangreichen und in seiner Materialfülle höchst publikumsattraktiven Werks des US-amerikanischen Künstlers handelt von der kulturellen Konstruktion unserer Ideen über die Natur. Zwar erweitert Marc Dion sein Interesse inzwischen auf die ja in ihrer partiellen Fiktionalität durchaus vergleichbare Konstruktion von Geschichte anhand archäologischer Fundstücke, doch immer noch macht der kaum anderswo so erhaltene verstaubte Charme der Naturkundemuseen besonders deutlich, wie verschiedene Ordnungen an verschiedenen Orten unterschiedliche Vorstellungen prägen.
Die Ausstellung in Hannover, ein Überblick über das Werk des 1961 in Massachusetts geborenen Marc Dion aus den letzten zehn Jahren in zwanzig größeren Arbeiten und Installationen sowie einem Raum voller Zeichnungen und Entwürfe, funktioniert fast wie ein Metamuseum der Sinnerzeugung am Material. Da gibt es den individuellen Sammlungsschrank, den Tisch aus der tropischen Feldforschung (inklusive einer Dose “Polar”-Bier aus Venezuela) oder die planenabgehängte Inszenierung “Ausstellung im Aufbau”. Den verschiedenen Zugang zur Enträtselung der Welt thematisieren wortwörtlich die für diese Ausstellung teils neu gebauten Tür-Fassaden. Ausgehend von “Monster” (1998), einer Jahrmarkts-Schaubude mit der Skelettfälschung eines (wieder wortwörtlich genommenen) Untieres aus Bär und Kuh, stehen im größten Raum des Kunstvereins hintereinander vier Fassaden: die des leicht abseitig wirkenden…