Johannes Meinhardt
Mapping Worlds – Welten verstehen
8. Internationale Foto-Triennale Esslingen 2010
Villa Merkel, Bahnwärterhaus und Galerie im Heppächer, Esslingen, 27.6. – 19.9.2010
Die Foto-Triennale Esslingen hat sich dieses Jahr ein sehr allgemeines Thema gestellt: die Erfassung, Kartografierung und Auflistung der sichtbaren Welt.
Die Fotografie hatte von Anfang an, seit ihrem Beginn um 1839 herum, die Malerei auf doppelte Weise in die Enge getrieben: zum einen wurde die gesellschaftliche Funktion Abbildung, die bis dahin von den handwerklichen, langsamen Techniken der Malerei und Zeichnung ausgefüllt wurde, von der maschinellen, arbeitsteiligen und schnellen Apparatur der Fotokamera übernommen; jede Art des Konstatierens der gegenständlichen Welt konnte die Fotografie verlässlich, wiederholbar und reproduzierbar veranstalten. Dabei nützte die Fotografie zum anderen diejenigen Errungenschaften, die der Malerei in der Renaissance den Status einer Wissenschaft und eine völlig neue Relevanz verliehen hatten: die Malerei war zu einem Instrument der wissenschaftlichen Erfassung der Welt geworden, die auf Grund der neuzeitlichen Definition der Natur als eines homogenen, kontinuierlichen und messbaren Objekts – und diese Definition hatte erst die Konstruktion der Perspektive ermöglicht – sich an die Aufzeichnung, Auflistung und Archivierung der sichtbaren Welt machte. Die Fotografie als Einschreibung des Lichts in eine fotosensible Schicht beruht auf der perspektivischen Verfassung der optischen Welt und transportiert damit zwangsläufig (wie jede technische Apparatur) das neuzeitliche Weltbild.
Nicht zufällig zählte Fotografie bis etwa 1960 nicht zur Kunst – abgesehen von Ansätzen medialer Praxis und Theorie in den provokativen, performativen Bewegungen um 1910 bis 1925, in Futurismus, Dada, frühem Surrealismus. Erst mit der Krise der Moderne um 1960…