Manlio Brusatin: Geschichte der Bilder
“Die Bilder sind, wie die Farben, ein tragisches Spiel, öffnen Fenster, die auf kleine Innenhöfe führen, leuchtende Ungeheuer, die unsere Träume bewachen”, so lautet der letzte Satz in Manlio Brusatins “Geschichte der Bilder”. Für Brusatin gibt es Bilder verschiedener Wirkungsintensität. Über das bloße das Zeichen (skhema), das auf anderes verweist, über das auch ästhetisch interessierende Artefakt bis hin zum eidetischen Bild, das in uns zur sprudelnden Quelle der Einbildungskraft wird, reicht die Spanne der Bildlichkeiten. Dass diese Steigerung der Wirkung keineswegs als eine Art von entwicklungsgeschichtlichem Fortschreiten zu begreifen ist, macht Brusatin in seiner Abneigung gegen eine Spätform der Bildproduktion deutlich: Das Fernsehen, liefere “unentwegte Exhibitionen von Bildern, die den Bildschirm durchlöchern, um sich dem Zuschauer an den Hals zu werfen.” Brusatins Verdikt ist keine bloße Kulturkritik, vielmehr folgt das Urteil der begründeten These, dass alle Medien eine Art prämaturale Vervollkommnung besäßen, die in ihrer historischen Weiterentwicklung nur herabkommen kann. Das gilt für die Inkunabeln des Buchdrucks genauso, wie für den Stummfilm in der Kinematographie und die gemalten Bilder, mit deren Betrachtung das Buch einsetzt.
In der Geschichte der Bilder gab es tatsächlich eine Zeit, als die Wirkungsmächtigkeit von Bildwerken derart bedeutsam wurde, dass es zu einem Bilderstreit kam, der an die Wurzel jeglicher Bildauffassung rührte. Was kann, was darf ein Bild zeigen? Kann es selbst das Göttliche zu sehen geben? In gewisser Weise trauert Brusatin diesen Zeiten nach, als Ikonen, Grabtücher, Veroniken den Höhepunkt der Bildmächtigkeit abgaben. Die Verlockung, derartige Bilder könnten Wunder wirken, machte das…