Gabi Czöppan
Manfred Stumpf
»Zeichnungen«
Galerie Heinz Herzer, München, 23.10. – 24.11.90
“Das ganze sichtbare Universum ist nur ein Magazin von Bildern und Zeichen, denen die Imagination entsprechenden Rang und Platz anweisen muß.” * Charles Baudelaire
Kalte Linien, dünn und klar, umreißen nackte Figuren und fremdartige Wesen auf stillen, fast leeren Blättern. Nüchtern und exakt kalkuliert setzt Manfred Stumpf seine makellosen Prototypen in eine merkwürdig ferne Welt. Die Bestimmtheit, mit der der 33jährige Frankfurter Künstler seine Zeichnungen entwirft, verdankt er den technischen Möglichkeiten eines Rapidographen, eines Zeichengeräts, das eine besonders genaue und gleichmäßige Linienführung garantiert. Seit etwa drei Jahren arbeitet Manfred Stumpf vornehmlich mit Hilfe des Computers – einer Technik, deren akkurate Ausführung durchaus mit dem Ritual exerzierender Mönche in Klausur vergleichbar ist. Denn nichts erinnert in diesen Zeichnungen an die multiplizierbare Computerkunst der 60er Jahre oder an serielle Modelle der Amerikaner. Vielmehr sind Manfred Stumpfs aus dem Incognito der Maschine entstandenen Figuren eine Quelle eigentümlicher Spiritualität. Die Menschen erscheinen gescheitert, verrechnet oder geklont, “Klon” heißt denn auch ein ungewöhnlich großformatiges Blatt mit einer Gruppe anonymer gleichförmiger Wesen, deren “Führer” auf der Brust einen Davidstern trägt, Schemen, die an wehrlose oder lebensvernichtende Roboter erinnern.
Als knüpfe er – gewollt oder nicht – an sein “Autobahnprojekt PALM” (Alsfeld 1987) an, tauchen in den neuen Zeichnungen Stumpfs zwei maßgebliche Motive wieder auf: das Kreuz und der Palmwedel, beide sind auch aus der Serie “Einzug aus Jerusalem” bekannt. In der Bibel befördert der Palmzweig das Auftreten Christi: Er ist Sinnbild für die ununterbrochene Gegenwart des möglichen und…