Jürgen Raap
Mammut-Spektakel
Jürgen Raap über die Art Cologne ’90
Eklats gab’s am Rande. Jörg Immendorff mochte sich der einmal entfachten Arschloch-Debatte in Sachen DDR-Kunst “gestern und heute” nicht stellen und verließ wutschnaubend Hans-Jürgen Rosenbauers Frühschoppen-Runde in der obligatorischen WDR-Koje der Art Cologne. Dabei waren aus den “neuen Bundesländern” (offizielle Sprachregelung des Bundespresseamtes) auf dem diesjährigen Kölner Kunstmarkt zumindest der Optik nach, was das Sortiment und das Outfit der Aussteller anbetraf, keineswegs Seilschaften aus dem Ex-Staatlichen Kunsthandel vertreten, sondern eher eine Bündnis-90-Ästhetik mit Post-Hippie-Ambiente. Ungetrübt verlief auch nicht die Benefiz-Gala am Eröffnungsabend, zu der alle, die sich keine Gratis-Ehrenkarte zu ergattern vermochten, einen 100-DM-Obolus beisteuern mußten. Während die geladenen und zahlenden Gäste auf das Buffett mit gefülltem Truthahn starrten und geduldig bis zum Ende der Laudatio auszuharren gedachten, machte sich ein offenbar persönlich frustrierter Bonner Lokalkünstler Luft: Er ließ vor der Rednertribüne Goldtaler aus Schokolade auf den Boden aus imitiertem Marmor rieseln, um damit die Verleihung des mit 20.000 DM dotierten Art-Cologne-Preises an die Bonner Museumsdirektorin Dr. Katharina Schmidt als “Korruption” zu brandmarken: Sie sei für ihre Ankaufspolitik honoriert worden. Das Publikum quittierte diesen lächerlichen Auftritt mit Buh-Rufen. Als von den Truthähnen nur noch die Knochen übrig waren, floß gar echtes Blut: Ein bekannter Filmemacher trug seinen Streit mit einem anderen Vernissagegast im Vorortkneipenstil mittels eines Bierglases als Waffe aus. All dies waren Randerscheinungen eines Messespektakels, das gegenüber dem Vorjahr Teilnehmerzahl wie Ausstellungsfläche drastisch erweitert hatte und in dieser Dimensionierung eher unangenehm an den feudalen Protz einstiger Sonnenkönige oder gar an den…