Malzeit und Seelenmargarine
Überlegungen zur Wendekunst
von Uta Brandes
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Man weiß es: Der Kunstmarkt hat seit drei oder vier Jahren etwas aufgetan, was jung, wild, bunt, malerisch sein soll, und er hat daraus eine Bewegung gemacht, deren Künstler nun mit dem Etikett Noveaux Fauves, Neue Wilde, Junge Wilde und derlei Markenzeichen herumlaufen: Trademarks, das hektische Aufderstellelaufen von Handels- und Bankkapital. – Ein Verbund von Kunsthändlern und Kunstkritikern erfand eine neue, angeblich wilde und junge Kunst, und die so Bezeichneten liefen ihrer Bezeichnung hinterher und versuchen immer noch, diese einzuholen.
Das begann in Italien und ist mittlerweile – ganz preußisch – von den Deutschen erobert worden, obwohl neben dem Altfavoriten Italien auch noch die Schweiz und Frankreich mit im Rennen liegen (leistungssportlich ausgedrückt). Ausstellungen und Publikationen in Hülle und Fülle, die Aufsehen erregen, in Radio, Fernsehen, Zeitschriften viel Sendezeit und viele Seiten einnehmen: Der Beginn der achtziger Jahre mit Neuen Wilden in Aachen, heftiger Malerei in Berlin, Mülheimer Freiheit in Köln, a new spirit in painting in London, junger Kunst aus Westdeutschland in Stuttgart und nach der documenta, die viel Wildes zu bieten hatte, und als vorläufig aktuellste Inszenierung der Zeitgeist in Berlin. Nachdem diese Großereignisse in Bild und Schrift extensiv abgefeiert wurden, nachdem zumindest in der Bundesrepublik die Ausstellungsmacher und Kunstkritiker eine Atempause eingelegt zu haben scheinen, die möglicherweise – dann wären sie klug – den Höhepunkt zugleich als Schlußpunkt der manifesten promotion setzt, wird es Zeit, sich an des Rätsels Lösung heranzutasten: warum nämlich Kunsttheoretiker, Kunstkritiker und alle progressiv-dynamischen deutschen…