Martin Seidel
“MAI 98”
Positionen zeitgenössischer Kunst seit den 60er Jahren
Josef Haubrich-Kunsthalle, 21.5. – 19.7.1998
Einige Ausstellungen stolpern über ihre eigenen Theoreme, Präliminarien, didaktischen Vorsätze und Tagesordnungspunkte, andere schon über ihren Titel. Zum Beispiel die “Mai 98”-Schau in der Kölner Josef Haubrich-Kunsthalle. “Mai 98”: welch ein Name, welch ein Thema und welch eine Verpflichtung für eine Veranstaltung, die im Untertitel erahnen läßt, wovon sie wirklich handelt, nämlich von allgemeinen “Positionen zeitgenössischer Kunst seit den 60er Jahren”!
Das kokett Auf- und Umbruch beschwörende Unternehmen in der Kunsthalle am Neumarkt, die in ihrer bisherigen Gestalt einem fünf Kultur- und Kunsteinrichtungen (darunter das völkerkundliche Rautenstrauch-Joest-Museum, der Kunstverein und die Kunsthalle selbst) umfassenden Neubauprojekt Platz machen soll, präsentiert in 100 Werken von 25 internationalen Künstlern alles andere als Agit Prop. Von Richard Artschwager (Jahrgang 1924), dem ältesten Teilnehmer, bis zum Youngster, dem Isländer Olafur Eliasson (Jg. 1967): es geht auf den zwei Etagen der Haubrich-Halle recht unpolitisch und, was Gattungen, Absichten und Positionen anbelangt, ziemlich bunt zu. Statt bildgewordener Klassenkampfparolen gibt es eher Joviales und Versöhnliches. Im Eingang baumeln redselig-verschwiegen Philippe Parrenos (Jg. 1964) mit Helium gefüllte “Speech Bubbles”-Ballons (1997) an der Decke. Und statt verbiesterter Politstücke wird Privates aufgeführt, wie das von Jorge Pardo (Jg. 1963) originalgetreu nachgebaute kontextkritische Schlafzimmer seiner Eltern (1987).
Die Kuratorinnen Brigitte Oetker (Jg. 1953) und Christiane Schneider (Jg. 1963) knüpfen mit ihrer Schau an die in den 60er Jahren in Gang gesetzten gesellschaftspolitischen Emanzipations- und Partizipationsprozesse an. Von daher setzen sie auf eine Kunst jenseits “geschlossener Systeme” und lassen keine Hardliner…