Michael Hübl
Magdalena Jetelová
Forum Kunst Rottweil, 5.2. – 13.3.1994
An Grenzen stoßen – Grenzen überschreiten: Magdalena Jetelová hat diese Herausforderung, die anfangs auch Bedrohung war, zu einem Thema, einer Leitlinie ihrer Kunst gemacht. Die Ausgangssituation wurde einmal bestimmt durch das repressive politische Klima in einem Staat, dessen Öffnungsbestrebungen durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts niedergedrückt worden waren – ein Ereignis, das insbesondere im tschechischen Teil der damaligen CSSR deshalb als traumatisch empfunden wurde, weil unter den Okkupanten wieder – nach nur 30 Jahren – deutsche Soldaten waren. Bevor Magdalena Jetelová diesem System 1984 den Rücken kehrte, hat sie unter den Bedingungen der brachial “gesäuberten” Tschechoslowakei als Künstlerin gearbeitet. Daß der Staatspräsident dieser Republik ausgerechnet Svoboda1, zu deutsch: Freiheit, hieß, gehört zu den Zynismen dieses Jahrhunderts.
Als Magdalena Jetelová nun die Freiheit der westlichen Demokratien erlangt hatte, befanden sich damit ihre Arbeiten in einem neuen Kontext. Die grob-rohe formale Sprache, in der die Künstlerin beispielsweise ihren “Stuhl” (1979-1980) gestaltet hatte, wurde Teil eines Diskurses, in dem der Holzplastik neues Gewicht beigemessen wurde: Baselitz hatte 1980 auf der Biennale in Venedig seinen gereckten Einarmigen präsentiert, Karl Manfred Rennertz stand im Begriff, mit seinen schräg gesägten Figuren bekannt zu werden. Wenn es 1982 eine Provokation bedeutet hatte, daß Magdalena Jetelová – damals noch in der CSSR – als Auftakt einer Ausstellung über den “Stuhl im 20. Jahrhundert” den Treppenaufgang des Prager Museums für Angewandte Kunst mit einem plump-klobigen Sitzmöbel ausstattete, war dieser Affront im Westen nicht mehr unmittelbar nachvollziehbar. Das Formale rückte in…