Fragen zur Zeit
Lust auf eine Spritztour?
Michael Hübl
Jede Epoche erfindet ihre eigenen Bilder zur Verharmlosung des Krieges
Um zu erkennen, wie der Begriff ‚obszön‘ heutigentags zu verstehen ist, empfiehlt sich ein Blick zurück in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Am 11. Juni 1964 betritt Walter Seifert das Gelände der Volksschule 1 im Kölner Stadtteil Volkhoven, verkeilt das Hoftor und zündet einen Flammenwerfer. Von den 28 Kindern, die er in Brand setzt, sterben acht. Zwei Lehrerinnen ermordet der 42-jährige Frührentner mit einer Lanze. Zwei weitere Lehrkräfte erleiden schwere Verbrennungen.2 Im Wissen um diese Fakten könnte man es für eine Petitesse halten, wie es dem jungen Paul Maar erging. Jedes Mal, wenn der Vater der Auffassung war, sein Sohn habe Strafe verdient, wurde Paul in den Keller geschickt. Dort hat ihn sein Erzeuger rücksichtslos verprügelt. Wie sehr diese schmerzhaften Züchtigungsakte bis ins fortgerückte Alter nachwirkten, ist einem Interview zu entnehmen, das im September 2023 publiziert wurde.3
Zu dieser Zeit war der für seine Kinderbücher berühmte Autor Paul Maar Mitte 80. So unterschiedlich die beiden Fälle brutaler Gewaltausübung auch sind – in einem Punkt konvergieren sie: Beide Männer, der prügelnde Vater ebenso wie der mordende Attentäter, waren Soldaten der Deutschen Wehrmacht und dürfen als durch ihre Kriegserfahrungen traumatisiert gelten. Über Seifert, der seine Waffen selbst gebaut und das hoch brennbare Gemisch selbst zusammengerührt hatte, hieß es später, „er gehörte zu einer Generation, die gelernt hatte, mit Mordwerkzeugen umzugehen und die dieses furchtbare Wissen gegen die Zivilbevölkerung in den von Deutschland im Zweiten Weltkrieg eroberten…