Michael Hübl
Ludwig Vandevelde
»La collection oubliée«
Kunstverein Ludwigsburg, 8.3. – 26.4.1992
Gauguin kannte die Frage, aber noch Ludwig Vandevelde weiß keine Antwort. “Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?” notierte der zivilisationskritische Symbolist 1897 auf einem Gemälde, das für ihn den Rang eines Schlüsselwerkes hatte1. Um Orientierung und Abenteuer geht es auch dem jungen Belgier Vandevelde: Im Kunstverein Ludwigsburg hat er vier richtungsweisende Schilder montiert , die alle die Aufschrift “direction” tragen, mit je einem Pfeil versehen und paarweise angeordnet sind. Links weisen die Pfeile auseinander, rechts daneben aufeinander zu. Bezogen auf Gauguins existenzielle Fragestellung obwaltet hier allzu akademische Verknappung, und doch bedeuten Vandeveldes Pfeile fast so etwas wie ein Leitmotiv der Moderne, das da fortgeführt wird und das nicht immer derart eindeutigen Signalcharakter hatte wie etwa bei Fortunato Depero2, dem italienischen Futuristen. Welche Richtung stimmt, ist bei Paul Klee, der seine Bilder immer wieder mit Pfeilen bestückt3, ebenso ungewiß wie bei Robert Rauschenberg, der in “Spot”4 zwei Verkehrsschilder gegeneinandersetzt, so daß sich eine doppelte Option ergibt: Welche Einbahnstraße wählen wir?
Der Pfeil als Zeichen des Zeitalters: Einerseits repräsentiert er, aufs Jahrhundert gesehen, die Verunsicherung, die aus einer akzelerierten technologisch-industriellen Entwicklung, der Erfahrung harscher gesellschaftlicher Umbruchsprozesse und wachsender, für den einzelnen nicht mehr zu überblickenden Komplexität herrührt. Andererseits wird er zum Kürzel für die Ordnungssehnsucht, die mit diesem Zustand engstens zusammenhängt, und wie sie sich im Ruf nach strikten kulturellen, nationalen Abgrenzungen oder in der Unterstützung totalitärer Systeme entlädt. Der Pfeil, ein Hinweis auf Gefahr: Siehe A.R. Penck, bei dem…