Johannes Meinhardt
Ludwig Großmann
Hans-Jürgen Müller, 17.9.-5.11.1989
Die erste Einzelausstellung von Ludwig Großmann, einem 1949 geborenen Richterschüler, stellt einen Künstler vor, bei dem in hohem Grade noch unentschieden zu sein scheint, was das Eigene der Produktion sein könnte, der aber dennoch eine starke persönliche Intensität und Differenziertheit vermittelt. Das beginnt schon damit, daß bei fast allen Arbeiten der Ausstellung Vorbilder sehr naheliegen, geradezu ins Auge springen: Beispielsweise greift Großmann Raster und Bewegungslinien von Sigmar Polke auf oder dicke schwarze und asphaltartige Schichtungen von Emil Schumacher; und seine Zeichnungen sind fast völlig an den vielfältigen Material-, Farb-, Strich- und Montage-sensibilitäten von Joseph Beuys orientiert und nach ihnen ausgerichtet. Es scheint sich jedoch weder um Zitate noch um epigonale Nachahmungen zu handeln: eher um Anlehnungen an sehr intensive Rezeptionen, um ein unkontrolliertes Aufnehmen, das in die eigene Arbeit vollständig eingebettet wird.
Das Niveau dieses Aufnehmens ist besonders bei den Zeichnungen so hoch, daß die Wahrnehmung zwischen einem `Alles schon einmal gesehen’ und einem `Das ist eine ganz eigene Dichte und Komplexität’ ständig hin- und hergerissen wird. Diese doppeldeutige Erfahrung wirft ein schwieriges Problem auf, das Polke beispielsweise sehr liebt: Wie ist das mit Original und Nachahmung, Kopie, Fälschung oder Simulation? Was ist der Anteil des einfach Imitierbaren, und inwieweit ist jede niveauvolle Mimesis selbst Ausbildung einer Produktionsimmanenz? Setzt nicht jede eigene Produktion mit und in der Weiterentwicklung der Durcharbeitung bestimmter fremder Produktionen ein? Wie lassen sich verallgemeinerbare Materialbereiche von absolut individuellen Problemfronten unterscheiden?
Großmanns Zeichnungen sind einerseits sehr Beuys-nahe: im Material, den miesen, alten, zerrissenen Papieren,…