Peter Herbstreuth
Lorna Simpson
Galerie Wohnmaschine, Berlin, 29.8. – 20.10.1996
Mittlerweile hat sich die Welle politisch korrekter Kunst überschlagen, und viele Künstler sind verschwunden. Die 1960 in Brooklyn geborene Lorna Simpson ist noch da. Seit 1985 arbeitet sie mit Verkehrungen und tauchte immer dort auf, wo Afro-Amerikaner, Frauen, soziale Deklassierung und Machtstrukturen Ausstellungsthema waren. Der Gedanke lag nahe, sie sei eine unmethodische Soziologin, die neben der Archivarin Renée Green, dem Allrounder David Hammons und dem Maler Jean-Michel Basquiat ‘schwarze Themen’ ins Feld bildnerischer Reflexion gezogen hat. Ihre erste Einzelausstellung in Deutschland war auch ein Test, ob ihr Werk außerhalb des gesellschaftlichen Entstehungszusammenhangs vermittelbar ist.
Lorna Simpson befaßte sich zunächst mit dem Blick auf den schwarzen, weiblichen Körper und verstand es, humorvoll damit umzugehen. Unter die Foto-Serie von Rückenansichten einer schwarzen Frau schrieb sie: “Ist sie so hübsch wie ein Bild? So rein wie eine Lilie? So schwarz wie Kohle? So scharf wie eine Rasierklinge?” Und als müßte man zur Beantwortung erst das Gesicht – die andere Seite – sehen und den Standpunkt wechseln, erhellt Simpson den Trug, würde man die Frau andersherum sehen, dann könnten die Fragen beantwortet werden. Sie schleust in berechenbare Vorurteilsstrukturen V-Effekte ein und blendet die visuelle Erscheinung mit ironischen Partikeln. Das nimmt den Fotos die Schwere der “issues” und macht sie sympathisch.
Kein Bild ohne Legende; jedes hat teil an Geschichte. Aber weil Simpson nicht theoretisch, sondern pragmatisch ihre Legenden begründet (“Manchmal ist es gut, eine Beschreibung von etwas zu haben, was nicht da ist”, sagt sie), sind ihre Bild-Sequenzen…