Löcher im Licht
Eine Untersuchung von Michael Baxandall
Baxandalls Buch bildet nicht nur eine detailierte Abhandlung über ein Problem der Malerei, es ist eine grundlegende Studie zur Geschichte der Wahrnehmung und dem Einfluß physikalischer Erkenntnisse auf die künstlerische Produktion. Es zeigt, daß selbst der Schatten als ein historisches Phänomen gedeutet werden kann. So vergleicht Michael Baxandell die Vorstellung von Schatten des 18. Jahrhunderts mit denen der Gegenwart. So gab es vor mehr als zweihundert Jahren eine Auseinandersetzung zwischen einer empiristischen und einer nativistischen Richtung, die sich um die Funktion des Schattens in der Körperdarstellung und -rezeption drehte. Während erstere das Sehen von Schatten – Baxandall nennt sie in Abwandlung des Buchtitels auch “Löcher in einer Strömung” – und das entsprechende Erkennen von Formen als Ergebnis von Erfahrungen deutet, geht letztere von einer angeborenen Fähigkeit aus. In gewissem Sinne eine Sonderstellung in diesem Streit nimmt eine Gruppe von Wissenschaftlern und Künstlern des Rokoko ein, die sich u.a. mit dem Phänomen der farbigen Schatten beschäftigte, und deren Beobachtungen bis heute anregend erscheinen. Das Verstehen von Schatten bedeutet für sie das Verstehen von Welt.
Die Überlegungen zum Schatten, dem Ort der Nicht-nehmung, werden im 20. Jahrhundert durch Forschungen der Kognitionswissenschaft und die Theoretiker des maschinellen Sehens, z. B. mit Hilfe des Computers, wesentlich bereichert. Sie zeigen auf, welche Informationen über Gegenstände aus dem Schatten abgeleitet werden können und welche davon von geringerer Bedeutung für das Sehen sind. Im letzten Kapitel versucht der Autor, einen Zusammenhang zwischen den physikalischen Interpretationen und der malerischen Praxis herzustellen. Nur schade,…