Linien ziehen
Friedrich Balke, Joseph Vogl (Hg.), Gilles Deleuze – Fluchtlinien der Philosophie
Der Philosoph lehnt an einen großen Spiegel. Er blickt nicht in den Spiegel, aber er ist im Spiegel und nicht nur einmal. Denn ein gegenüberliegender Spiegel ermöglicht es, daß sich sein Körper vielfach im Spiegel bricht. Ein unendlicher Raum tut sich auf und verschwimmt zunehmend im Dunkel. Das für ein Portrait eines Philosophen ungewöhnlich inszenierte Foto bildet den Einband einer Kompilation von Texten von und über Gilles Deleuze. Der umfangreiche Band ist in drei Abschnitte unterteilt. Sie untersuchen sein Verhältnis zu Philosophie, Politik und Kunst – letztere umschrieben als “Logik der Sensationen”, abgeleitet vom Titel seiner Schrift über den Maler Francis Bacon. Sein Tod am 4. November 1995 in Paris gibt den Anlaß, ein vorläufiges Resümee über sein Denken zu ziehen. In ihrem einleitenden Aufsatz versuchen Friedrich Balke und Joseph Vogl die Besonderheit und Innovation seiner Denkweise darzulegen, die sie mit der Frage verbinden: “Wie läßt sich die Philosophie gegen die Philosophie lehren?” Die Autoren liefern verschiedene Antworten, die alle auf eine Transgression von Konventionen verweisen. Beispielsweise daß sich Deleuze der Tradition der Philosophie widersetzt, die Differenz stets unter dem Aspekt einer möglichen Aufhebung des Unterschieds zu betrachten. Andererseits indem er ein Geschichtsbild entwirft, daß sich nicht mehr zwischen Ursprung und Ziel einspannen läßt, den Kreis aufbricht, um eine labyrinthische Linie zu zeichnen. Oder indem er auf das Kontingente im Denken, das Neue und das Unwillkürliche insistiert, und darauf daß Begriffe in Bewegung stehen, mit denen man andere Erfahrungen…