Linda Karshan
RHYTHMUS, – das Stichwort springt die (sehenden) Betrachter sofort an, denn die Reihen und Raster gehorchen einer natürlichen, ja ostinaten Organisation. Im vorläufigen Gegensatz dazu macht sich ein konstruktiver Ordnungswille bemerkbar, der den Minimalismus zu beerben scheint. Erst in dem Augenblick, in dem die Betrachter realisieren, dass die Konstruktion durchaus intuitiv daherkommt, dass gerade Linien aus der freien Hand, dass rechte Winkel durch das entsprechende Drehen des Blattes um 90° entstehen, löst sich der Widerspruch auf. Stattdessen Staunen! Wer ältere Blätter von Linda Karshan anschaut, wird das rhythmische Movens noch in einer impulsiveren Spielart finden. Seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts ist sie unterwegs von furiosen Serialismen zu hochkonzentrierten Gitterstrukturen, von denen zuletzt nur das Allernotwendigste übrig blieb, ein Rechteck, ein Quadrat oder auch nur die vier Winkel an den Ecken. Mittlerweile hat sie sich wieder etwas zurückbesonnen und füllt die Formen mit Rastern oder schließt sie gelegentlich mit gerundeten Linien. Aber niemals wiederholt sie sich, obwohl sie doch ständig das Gleiche macht. Der deutliche rhythmische Impetus erklärt sich aus ihrer Arbeitsweise. Auf dem Tisch liegend bearbeitet sie das Blatt in einem quasi choreografischen Zugriff, den Stift in der Faust bewegt sich die Linie auf ihren graziösen Körper zu. In älteren Arbeiten, die auf dem Boden ausgeführt wurden, finden sich noch Fuß- und Fingerabdrücke, sie bewegt sich ‚im’ Blatt wie auf einer Bühne; egal wie sie zugreift. Eine entsprechende Videodokumentation von Candida Richardson (Movements an their Images, 2009) gibt darüber Auskunft und belegt darüber hinaus, welchen Zustand…