Thomas Wulffen
Lettische Avantgarde
Staatliche Kunsthalle / NGBK, 24.7.-24.8.1988
Natürlich, es ist eine Entdeckung, aber warum muß sie unter dem Begriff ‘Avantgarde’ laufen. Zwar mag der Zusatz ‘Lettische’ diese Avantgarde sozusagen örtlich binden, aber selbst diese spezifische Einengung ist fragwürdig, besonders in einer Kunstmetropole, die sich mit der ‘Avantgarde’ seh wer tut, aus welchen Gründen auch immer. Anläßlich der Kulturstadt Berlin 1988 mag die Ausstellung der lettischen Avantgarde, gezeigt in der Staatlichen Kunsthalle und organisiert von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, tatsächlich so etwas wie eine Avantgarde darstellen. Das spricht nicht für die anderen Kulturstadtausstellungen. Die NGBK hat eine besondere Beziehung zu Lettland, war doch der verstorbene Geschäftsführer dieses Kunstvereins, Valdis Abolins, selber Leite und hielt damals dauernd Kontakt zu den Landsleuten in Rußland. Über diesen Draht entstanden dann auch die ersten Berührungspunkte und die Idee, lettische Kunst und Künstler in der Stadt zu präsentieren. Nach der Perestrojka ist das bürokratische Procedere vereinfacht, und was früher unmöglich schien, ist jetzt wahrscheinlich.
Unter den dreiundzwanzig beteiligten Künstlern waren der Großteil einer Art experimenteller Kunst zuzurechnen, die allerdings hier kaum mehr Aufsehen erregen würde. Das schmälert nicht ihren Reiz und vor allem ihre Bedeutung innerhalb der lettischen Kunstlandschaft. Besonders die Zeichner wie Ilmars Blumbergs, Kirils Smelkovs oder Andrejs Kalnacs mochten allenfalls für die Kenner von Bedeutung sein. Miervaldis Polis ist einer der Avantgardisten, der mit seinem EGOZENTRUM als ‘Basis schöpferischer Aktivität’ eine spezifische Antwort auf gesellschaftliche Umstände darstellt. Mit ähnlicher selbstbezogener Thematik wartet das Werk von Andris Grinbergs auf.
Neben Photoarbeiten tritt der Künstler auch…