JAN VERWOERT
LET’S GET LOST!-?
DAS VERSPRECHEN NON-LINEARER SUBJEKTMODELLE
UND DAS PROBLEM POLITISCHER VERANTWORTUNG
I. Entgrenzungsversprechen
Es ist klar, dass von der Idee, die Grenzen des Subjekts aufzubrechen, ein starkes Versprechen ausgeht. Seit das Konzept von der Dezentrierung des Ichs Konjunktur hat, wird es unter utopischen Vorzeichen gehandelt. Als Foucault zum Beispiel das Ende althergebrachter humanistischer Subjekt-Vorstellungen verkündete, sprach er feierlich von der “Verheißung” zukünftiger (post-humaner) Selbstkonzepte – und orakelte “dass etwas Neues zu beginnen im Begriff ist, von dem man erst einen leichten hellen Streifen unten am Horizont wahrnimmt”1.
Das alte Ich sprengen zu können – diesem Versprechen verdanken zahlreiche Theorien ihre Attraktivität. Die Dekonstruktion etwa gewinnt ihren Reiz dadurch, dass sie verspricht, das Ego des Autors und sein Gegenstück, die organische Einheit des Textes auseinander zu nehmen. Anziehend wirkt ihr antiautoritärer Gestus: das Autoren-Ich wird entmachtet, der Text entgrenzt, die Enge des Organischen ersetzt durch die Offenheit des Synthetischen. Auch die politischen Ansätze der neofeministischen Geschlechtertheorie oder der postkolonialistischen Kritik begreifen eine festgefügte Identität als negative Größe. Wird eine Person oder Gruppe von Menschen durch die Gesellschaft auf eine bestimmte Identität festgeschrieben (Mann/Frausein, Hetero/ Schwulsein, Weiß/Schwarzsein), so gehen dem stets Zwangsmaßnahmen einher. Soziale Kontrollmechanismen in Gestalt von Rollenvorgaben, Vorurteilen und stigmatisierenden Kennzeichnungen bestimmen, wer jemand ist oder vielmehr: sein darf. Auch hier ist die politische Perspektive, das von der Gesellschaft aufgezwungene Persönlichkeitsprofil aufzuheben und etwas neues, unkontrollierbares an seine Stelle zu setzen.
Der Gedanke, dass der Zwang zur Einheit des Subjekts aufgehoben werden soll, ist also grundsätzlich positiv besetzt. Intuitiv erfasst man…