Michael Hübl
Les Peintres d’Europe
»Um Künstler kennenzulernen, durch die das Leben der Formen weiterbesteht, muß man Europa entdecken«, meint Jean-Luc Chalimeau1. Der französische Kritiker war künstlerischer Berater eines Ausstellungsprojekts, mit dem die Zeitschrift »Eighty« (Verlagsort: Paris) ein umfassendes Bild der Malerei der 80er Jahre in Europa geben will. Eine Ausstellung, die den Eindruck erwecken könnte, es gäbe schon so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa: Immerhin sind beinahe alle westlich orientierten Nationen des Alten Kontinents in dieser Schau vertreten. Daß man das Unternehmen, das den nüchternen Titel trägt »Les Peintres d’Europe« und das in etlichen europäischen Kapitalen gezeigt werden soll, ausgerechnet in Straßburg startete, lag fast nahe – feiert doch die Grenzstadt just in diesem Jahr ihr 2000stes. Ein Spiegel europäischer Geschichte, dessen silberhellen Hintergrund eine Römer-Gründung namens Argentoratum bildet. Von der Blüte der Stadt im Mittelalter kündet jenes Münster, das den jungen Goethe zu stürmischem Entzücken über die Gotik drängte; vom Versuch, das einstige Humanisten-Zentrum an der Rhein-Achse Rotterdam – Basel nicht zu einem Provinznest am Rande der Grande République verkommen zu lassen, zeugen sowohl die verschiedenen Europa-Institutionen, als auch das – freilich vergebliche – Bemühen, den Bau eines Zyklotrons durchzusetzen.
Nachgerade ähnlich weitreichend wie die historische Bedeutung Straßburgs ist das Verfahren, nach dem die Ausstellung »Les Peintres d’Europe« zustande kam. Denn die Auswahl der Künstler basiert auf einer Mischung aus kunstkritischem Sachverstand und demokratischer Meinungsbildung: In fünfzehn Ländern präsentierten Kritiker großer Tages-Zeitungen oder Kunst-Zeitschriften ihren Lesern etwa zehn bis zwanzig Künstler, deren Ouvre jeweils mit einem Artikel vorgestellt…