Sigrid Feeser
Lena Liv Yuri Kaléndarev
Heidelberger Kunstverein, 11.11. – 9. 12.1990
“… und wenn die Schatten keine Schatten wären?” So rhetorisch die Frage, so überzeugend die Ausstellung. Lena Livs im Heidelberger Kunstverein installierte Schattenbeschwörung lebt von virtuos gegeneinander ausgespielten Gegensätzen – und von der Kraft der unsentimental auf die Zerbrechlichkeit menschlichen Daseins gerichteten Reflexion. Teilnehmer im Spiel sind in Spezialverfahren entwickelte Großfotos, handgefertigte Papiere, Acrylfarbe, reines Pigment, dazu solide, schrankähnliche Roheisenkonstruktionen, die die Fotos zusammenhalten, rahmen und zu vielteiligen, tief beunruhigenden Bildergeschichten addieren.
Die Fotos sind dunkel bis düster, changieren zwischen Deutlichkeit und Undeutlichkeit. Verstörend unfroh die Sujets: Kinder in Frontalaufnahmen, wie festgebannt in ungewiß dunklen Räumen, die Gesichter uralt und von ganz weit her. Daß es sehr alte Fotos sind, sieht man. Alle diese (blinden) Kinder, vereinzelt mit einem Spielzeug, als zum Erinnerungsfoto aufgestellte Schulklasse, als von einer Nonne mit hell hervorstechender Flügelhaube beaufsichtigte Gruppe, müssen schon ziemlich lange tot sein. Das irritiert, teilt sich mit als melancholisch auf das eigene Ich zurückverweisende Stimmung. Nun droht selbst ihren Bildern das Vergilben, Blaßwerden, das allmähliche und unaufhaltsame Verschwinden.
Mal tritt so ein Gesichtchen etwas deutlicher hervor, mal sind es nur die Füße oder ein kleines Händepaar, das einen Ball hält. Spielsachen sehen aus schubladenähnlichen Öffnungen hervor oder haben vom Fußboden Besitz ergriffen. Fünf mal fünf Brummkreisel beispielsweise liegen zum sauberen Karree geordnet dem Besucher vor den Füßen. Und sind doch selber nicht viel mehr als Realitätszitate und bloße Täuschung – rabenschwarze “Falsifikate” aus hauchdünnem Papier und so erschreckend echt gemacht, daß die Hand…