Berlin
Lee Ufan
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart 27.10.2023 – 28.04.2024
von Thomas W. Kuhn
Die aktuelle Retrospektive von Lee Ufan (*1936, Landkreis Haman, Korea) knüpft nach 20 Jahren an eine wichtige Verbindung des Künstlers zu Deutschland an. Noch bevor ihm 1974 in der von Jürgen Harten kuratierten Gruppenausstellung Japan: Tradition und Gegenwart in der Kunsthalle Düsseldorf eine Bühne für sein Werk in Europa geboten wurde, hatte sich Lee, so der Familienname, intensiv auch mit deutschen philosophischen Schriften auseinandergesetzt, Kant, Hegel und Heidegger.
Lee ist vermutlich ebenso sehr Philosoph, wie auch Künstler, zudem Kunstkritiker, der sich früh einer Verabsolutierung der individualistischen Setzung der westlichen Moderne im Werk entgegenstellte, vielmehr auf die dialogisch-dialektische Wechselbeziehung zwischen Künstler, Material, Werk, Raum und Rezipienten setzte.
Die positive Aufnahme seines Werks ging einher mit zwei Missverständnissen. Das eine war die Zuordnung zur Minimal Art, auf Grund der ähnlich reduktionistischen Ästhetik, das andere war die herkunftsbezogene Zuordnung zu Ostasien, die auf der Grundlage der intensiven Beschäftigung mit dem Zen-Buddhismus in Teilen der westdeutschen Nachkriegskultur, nicht zuletzt inspiriert durch die Schriften des Autors Suzuki Deisetsu Teitaro, einen nicht zutreffenden Kontext der Interpretation schuf.
Der Katalog der beiden Kuratoren der Berliner Ausstellung, Sam Bardaouil und Till Fellrath, widmet sich auch dieser Problematik, ermöglicht – in aller Kürze – eine differenzierte Bezugnahme zur US-amerikanischen Minimal Art, der Rezeption in Deutschland, liefert aber auch an Hand einer Werkannäherung von Silke Berswordt-Wallrabe eine angemessene, differenzierte, konkrete Sprache, im Sinne Max Imdahls, die den Sinn aus der Wahrnehmung des Gegenstandes und seiner eigentlichen Eigenschaften und Beziehungen…