JEAN ODERMATT
Lebenskunstwerk Gotthard
VON JEAN ODERMATT
Die Stiftung La Claustra (rätoromanisch für Kloster) betreibt im Gotthardgebiet auf 2050 Meter ü.M. ein Forschungszentrum für künstlerische und wissenschaftliche Projekte. Es ist kein Guru-Ort, sondern eine Werkstatt – strukturiert durch Konzentration und Stille, durch Bewegung und Wanderung. Menschen aus diversen Tätigkeitsbereichen werden in den ober- und unterirdischen Räumen des Gotthards zusammengeführt. Am Entstehen ist ein “alchemistisches Labor, wo statt materieller Stoffe menschliches Denken und Empfinden gemischt, gewandelt, extrahiert und untersucht wird” (Corinne Schatz). Der Motor vor und hinter dem Projekt La Claustra ist Jean Odermatt, der das Zeichensystem Kunst im klassischen Sinne versteht (als “techne” und nicht als “ars”), also nicht als Ausdruck genialischen, sondern höchst rationalen Könnens. Mit La Claustra entsteht nun ein Nervenzentrum, ein Gehirn für den ganzen Organismus des seit 1984 andauernden und letztlich nicht fassbaren “Gotthardprojekts”. Um die geheimnisvolle Anziehungskraft des Naturphänomens Gotthard zu ergründen, benutzt der Künstler Dinge aus aller Welt und allen Zeiten: von der Zahlenmystik bis zur Elementarlehre, von der Astronomie bis zur Mythologie.
Umkreisen
Das Territorium des Gotthards zieht mich seit meiner Kindheit in geradezu magischer Weise an. Seit Beginn der achtziger Jahre versuche ich zu verstehen, warum. Mit verschiedenen Techniken und Ausdrucksmitteln bin ich an der Arbeit, den Gotthard nach unten und nach oben auszuloten, ihn unablässig zu umkreisen.
Aus dem zeitweiligen Leben vor Ort – sommers in einer Unterkunft auf 2500 Meter ü. M. unterhalb des Canariscio, winters auf dem Hospiz – sind Tagebücher entstanden, Fotoserien, Radierungen, Performances. Zunächst handelte es sich eher um Aufzeichnungen. Später entwickelten…