Johannes Stahl
Learning from Halle-Neustadt
Halle-Neustadt hatte ein überaus umfangreiches, dicht konzipiertes und kuratiertes Kunst-am-Bau Programm. Es lohnt darüber nachzudenken, was sich aus diesem exemplarischen Entwurf einer neuen Lebenswelt entwickelt hat – und das nicht nur in der und für die Retortenstadt an der Saale. Klar ist jedenfalls, dass die frühere Selbstverständlichkeit, mit der hier Kunst am Bau geplant, umgesetzt und betreut wurde, heute kaum noch anzutreffen ist – auch wenn das nostalgische Hoffnungen weckt.1
Einflusssphären
Ähnlich einem Plan für Soundbereiche im Messebau oder im Museum überlegte ein Detailplan im Rahmen des vom Chefarchitekten Richard Paulick (1903–1978) aufgestellten „Generalbebauungsplans“, welches der zahlreich aufzustellenden und an Fassaden projektierten Kunstwerke in welchen Bereich hinein wirken sollte. Die Darstellung ist ein geschichtliches Unikum geblieben – vor allem wohl, weil die Aufstellung von Kunst für eine Stadt sich in der Regel sukzessive und eher gelegentlich ergibt, aber nicht konzertiert geplant wird. Die Darstellung ist heute aus zwei Gründen relevant: als geschichtliches Zeugnis einer so kaum je wieder gekehrten historischen Situation für Kunst und Bauen, aber auch angesichts aktueller Bestrebungen, wenigstens einen Überblick über den Bestand öffentlicher Kunst zu gewinnen.2 Nicht zuletzt steht angesichts der heutigen eingeschränkten Finanzmittel Kunst am Bau nicht selten mit dem Rücken zur Wand – und hat deutlich weniger Einflusssphären, als der Plan nahe legt. Übrigens gilt das nicht nur für die Kunst am Bau.
Halle-Neustadt sollte ab 1964 als die neue Stadt für etwa 100.000 Chemiearbeiter der DDR gestaltet werden – und damit im Gegensatz zu verschiedenen Stadterweiterungen eine grundständig neue und exemplarische Stadtplanung…