Dortmund
Latefa Wiersch
Hannibal
Kunstverein 19.01.– 13.04.2025
von Thorsten Schneider
Aufwachsen nach dem Ende der Geschichte. 1989: Mauerfall – Helmut Kohl verspricht „blühende Landschaften“. Rostock-Lichterhagen brennt – „The Kids Are Not Alright“. Advanced Chemistry sind „fremd im eigenen Land“. Und auch am Hannibal II, der Hochhaussiedlung in Dortmund Dorstfeld, war der Lack schon ab. Die gebaute Utopie der siebziger Jahre vom erschwinglichen Wohnraum für alle mit guter Verkehrsanbindung und sozialer Diversität war im Alltag in vielerlei Hinsicht doch eher enttäuschend. Von der Unwirtlichkeit unserer Städte, wie sie Alexander Mitscherlich bereits 1965 kritisierte, konnten auch all jene erzählen, die hier lebten. Das „Wohngebirge auf der grünen Wiese“ war vorzeitig verblüht. „2017 wurde Hannibal II dann wegen Bau- und Planungsmängeln der Belüftungsinfrastruktur binnen weniger Stunden zwangsevakuiert und sanierungsbedingt abgeriegelt.“ Im selben Jahr brannte im Londoner Stadtteil North Kensington der Greenfell Tower komplett aus. Mit einem Schlag waren an beiden Orten sehr viele Menschen wohnungslos. Die Dortmunder Ruine ist noch immer als Mahnmal des sozialen Wohnungsbaus zu besichtigen. 2024 berichteten verschiedene Medien von verstärkten Umzügen Dortmunder Neo-Nazis nach Ostdeutschland – gut für Dortmund.
In der aktuellen Einzelausstellung von Latefa Wiersch im Dortmunder Kunstverein dient Hannibal als Kulisse. Aus einfachen Holzplatten und Dachlatten zusammengezimmert, entstand hier die Bühne einer vergangenen Welt. Am Dortmunder U, einem Leuchtturm Projekt der europäischen Kulturhauptstadt Ruhr2010 und heutigen kulturellem Schaufenster der Stadt Dortmund, wird die Erinnerung an einen ihrer erloschenen Riesen wieder wachgerufen. So entsteht die Möglichkeit einer erneuten (Wieder-)Begegnung mit einem Stück Geschichte dieser Stadt. Die Künstlerin bringt dafür das soziale Umfeld ihrer…