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Titel: 45. Biennale von Venedig · von Michael Hübl · S. 236 - 238
Titel: 45. Biennale von Venedig , 1993

Michael Hübl
Lärm und Lähmung an der Lagune

45. Biennale di Venezia: Eindrücke aus den Giardini

Die alte Dame, die alten Männer, der alte und ein neuer Krieg: in diesen Punkten ziehen sich die ersten Eindrücke aus Venedigs Gärten zusammen. Die Kunst der Louise Bourgeois, auserkoren, die USA auf der Biennale di Venezia zu vertreten, bildet eines der Zentren, an denen sich der Strom der Flaneure verdichtet. Die 82jährige Pariserin, die in New York zu den wesentlichen Formulierungen ihrer Kunst gelangte, hat die frei flottierenden Dämonen des Unbewußten in Zellen gesperrt und dort gesteigerter Selbstbespiegelung ausgesetzt: “Eyes and Mirrors”, der dritte von vier surreal inszenierten Käfigen im Pavillon der Vereinigten Staaten, ist ein Denkmal der Introspektion und der Autofokussierung des Subjekts, das sich selbst in mannigfachen Brechungen und die Außenwelt nur noch gefiltert durch trübe Scheiben oder Gitter wahrnimmt. Dazwischen leuchtet alabasterhell die eigene Vergangenheit auf: Choisy-le-Roi, wo Louise Bourgeois einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte. Das war am heitergespannten Vorabend des Ersten Weltkriegs. Daß er grausamer wurde, als sich patriotische Rekruten und chauvinistische Freiwillige damals vorstellen mochten, ist inzwischen ebenso Gemeinplatz wie die Erkenntnis von den Nachwirkungen, die bis heute virulent sind.

Wieder ist Sarajewo Brandherd, donnern auf der anderen Seite des Meeres die Geschütze. Liegt darin der Grund für die Endzeitstimmung, für die Verbindung aus Belastung durch die Historie und Anlehnung an wohlvertraute künstlerische Positionen, in der die 45. Biennale di Venezia befangen ist? Der französische Pavillon stellt sich dar als ein einziges Beinhaus: Jean-Pierre Raynaud ließ das Innere des Gebäudes komplett…


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