Hans-Jürgen Heinrichs
Landkarten des Ethnopoetischen
Reisen-Schreiben oder Blick auf den Atlas der Poetischen Geographie
Die Rede ist von subjektiven Mythen. Ihr Ort – die Bühne, auf der sie ausagiert und inszeniert werden – liegt irgendwo im Inneren des Reisenden. Da, wo sie auf ein äußeres Geschehen auftreffen und dies ein Vibrieren zur Folge hat (eine Leidenschaft, eine Begeisterung für das Wahrgenommene), findet ein inneres Bild eine äußere Entsprechung.
Es geht um diese Resonanzbeziehung. Der Mythos und die Phantasmagorie sind deren Eckpunkte und Koordinaten. Wie ein Subtext liegen sie unter den Erzählungen der erfahrenen Fremde, und – davon bin ich überzeugt – unter jeder Geschichte.
Dieser Subtext liegt nicht offen zutage. Man muß ihn sich erschließen, in eine Art Selbstethnographie oder Archäologie. Es ist eine Spurensuche.
Die Kindheit, das Heilige, die inneren Bilder, die jeder Reisende mit sich herumträgt, die Träume und die Exotismen, die ihn beherrschen, die Orte, von denen er nicht weiß, ob er selbst sie erfunden hat oder das Leben sie für ihn bereithielt: von diesen eigenartigen und sich verknäulenden Phänomenen, Sensationen und Beziehungen möchte ich erzählen.
Umkreisungen wunschbesetzter Orte
Schon als kleiner Junge habe er eine Leidenschaft für Karten empfunden, stundenlang Südamerika oder Afrika oder Australien betrachtet und sich in seinen Entdeckungen und denen, die andere dort wohl gemacht hatten, verloren. “Damals gab es viele weiße Flecke auf der Erde”, schreibt Joseph Conrad, “und wenn ich einen besonders verlockenden sah (aber verlockend sind sie alle), legte ich den Finger darauf und sagte: Wenn ich groß bin, gehe ich dorthin. Der Nordpol war so ein…