Wolfgang Kos
Landgemacht & handgemacht
Bemerkungen zur Kulturellen Handschrift im “alternativen” Milieu
Laurie Anderson, deren multimedial erzählte Geschichten man als melancholischen Rettungsversuch von Ganzheit durch Zerlegung in scheinbar zusammenhanglose Einzelgesten beschreiben könnte, sagte in einem Interview einmal diesen Satz: »Wenn ich vor der Alternative stehe, zwischen dem Schönen und dem Richtigen zu wählen, dann wähle ich das Schöne.« Unter dem Schönen versteht sie natürlich nicht bloß ein Waldstück in Agfacolor oder die Regelmäßigkeit einer Blüte (um Dia-Motive zu nennen, die Bio-Harmoniker gerne verwenden), sondern just auch disfunktional gewordene Reste, die unsere Zivilisation so wahllos hinter sich läßt, auch das Verbrauchte und Ausgeleierte.
Ich nehme nicht an, daß Laurie Anderson das Schöne dem Richtigen vorzieht, weil sie besonders frivol ist. Auch sie weiß wohl ganz genau, daß es Situationen gibt, in denen man das sogenannte Richtige tun muß.
Sie sagt es, glaube ich, weil sie ihre Optionen offen halten will. Weil man nur in einer riskanten und heiklen Konstellation künstlerisch produktiv sein kann. Wählt sie das Richtige, so wählt sie etwas, für das man nicht unbedingt die Kunst braucht, falls man nicht Tendenzkünstler sein will. Das Richtige muß man sowieso ständig tun. Aber das Schöne (oder das »Schöne«) kann Provokation und Herausforderung in einer Zeit sein, in der alle guten Menschen ständig über das Häßlichwerden der Welt klagen. Laurie Anderson schließt ja weder Kitsch noch Lüge als Material der Kunst von vorneherein aus: sie läßt sich darauf ein, Bilder nicht mit moralischer Wertung zu belasten (man denke nur an all die Zeigefinger, die vor der…