THOMAS WULFFEN
Lamento Veneziano
ODER »NÄCHSTES MAL KOMME ICH FRÜHER ODER SPÄTER«
Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, dass die Mega-Events der Kunst, die Biennalen oder die documenta, Publikumsmagneten sind. Als Profi, als Journalist, Kritiker oder Fotograf kann man sich ein Arbeiten an den ersten Tagen nach der Eröffnung einer solchen Veranstaltung abschminken. Für uns gibt es von daher die Voreröffnung, das sogenannte Preview. Vier Tage sollte man vor der diesjährigen Biennale Venedig Zeit haben, den Massen auszuweichen und die Kunst zu sehen. Doch aus dem Preview wurde ein No-View. Wunderte man sich dienstags noch, wie viele Kunst-Profis es auf dieser Welt gibt, so schrie man spätestens Donnerstag nach dem sprichwörtlichen Öl, das einem das Gleiten durch die Mit-Sardinenmassen ermöglichen sollte. Einfach jeder war da, jeder Künstler, jeder Kurator, jeder Galerist, jeder Sammler, aber auch Jedermann. Denn neuerdings konnte man sich – völlig unüberprüft – per Internet akkreditieren: Eintrittskarte auf Mausklick. Jedenfalls schienen die Massen Kunst-Mensch die fast vierjährigen Bemühungen des derzeitigen Zeremonienmeister Harald Szeemann zu krönen: Die Biennale Venedig war endlich zur Olympiade der Kunst geworden. Und das nicht ohne Sport: denn der Besucher sah sich olympiareifen Ausstellungsstrecken gegenüber, Seh-Parcours mit Hindernisse, Wassergräben und Sandhügeln, die seiner Wahrnehmungsfähigkeit das Äußerste abverlangten. Die Trampelpfade der Kunst schienen alle einen gemeinsamen Ort zu haben: Venedig. Aber in spezifischer Weise bildeten sie ja auch die Trampelpfade ab, denen Harald Szeemann in Vorbereitung seiner Biennale schon zu anderen Orten gefolgt war. Nicht in die Ateliers, sondern eher in anderen Ausstellungen. So sah man wieder in…