Maribel Königer
L’âme au corps
»arts et siences 1793 – 1993«
Grand Palais, 23.10. – 22.11.1993 (eigentlich – 24.1.1994)
Ausgeträumt! Gerade einen Monat lang konnte man sich der Illusion hingeben, Kunst und Wissenschaft (Naturwissenschaft, wie man im Deutschen wohl genauer sagen muß) hätten einander nie aus den Augen verloren, sich ununterbrochen wechselseitig befruchtet, vom jeweils anderen profitiert. Doch die utopische Balance ist dahin, der – offensichtlich – stärkere Teil hat gesiegt: Nach nur 27 Öffnungstagen mußte “L’âme au corps” (in entsprechend kryptischer Übersetzung: “Die Seele zum Körper”) wegen angeblich akuter Baufälligkeit des Grand Palais schließen. Mehrere Monate wird es dort keine Ausstellungen mehr geben, auch die FIAC muß sich 1994 nach einem anderen Quartier umsehen – ein statisches Gutachten will es so. Hat die Wissenschaft doch über die Künste triumphiert?
Der überraschende Abbruch der über 5 Millionen Mark teuren Veranstaltung ist nicht nur für die beiden Kuratoren, Gérard Régnier, den Direktor des Picasso-Museums (der außerdem unter dem Namen Jean Clair publiziert), und Jean-Pierre Changeux, Neurologe am Pasteur-Institut mit Lehrstuhl am Collège de France, eine Katastrophe. Auch den geschätzt 100 000 Besuchern, die sich in den kommenden Monaten noch hätten einfinden sollen, entgeht eine in ihrer Zielsetzung zwar durchaus zweifelhafte, in der wissenschaftlichen Durchführung, der Materialauswahl und -fülle sowie der Präsentation aber hervorragende Ausstellung. “L’âme au corps” knüpft an den Wiener “Wunderblock” im Freud-Jubiläumsjahr 1989 an, wo Gérard Régnier bereits beteiligt war, so wie umgekehrt in Paris Cathrin Pichler als österreichische Kokuratorin mitwirkte.
Auch jetzt gibt wieder eine runde Jahreszahl den Anlaß vor. 1793 öffneten…